Gestern trank ich beim Schafkopfen scheinbar zu viele Tassen grünen Tee und konnte nicht einschlafen. Nach Mitternacht schaute ich mir auf ZDF eine Reportage über Deutschlands Steuermilliardäre an. Es ging eher nicht darum herauszuarbeiten, wie die Milliardäre zu Milliardären geworden sind, sondern um die Möglichkeiten der Steuergestaltung. Das entscheidende Fazit ist, dass der Politik und insbesondere dem Bundesfinanzministerium sämtliche Steuergestaltungs-Tricks bekannt sind. Dennoch wird an den Gesetzen nichts geändert, obwohl das zu hohen Mehreinnahmen führen und auch der Steuergerechtigkeit dienlich wäre. Davon hält die Steuerbranche jedoch nichts, trifft sich in Hotels mit den Milliardären und hält Vorträge darüber, wie man sein Vermögen in verschiedene Firmen aufteilt, die ganze Sache internationaler gestaltet und – wenn alles gut läuft – seine Steuerlast senkt. Die Politik unternimmt nicht nur nichts, sondern gibt auch noch die entscheidenden Tipps. Hohe Beamte tauchen auf diesen Veranstaltungen auf, geben Tipps zur Steuervermeidung, plaudern ein wenig aus dem Nähkästchen und kassieren Honorare. Dabei war doch die Ampel angetreten, sich die Vermögen der Überreichen wegen der sozialen Gerechtigkeit genau anzuschauen. Aber? Nichts passiert. Noch schlimmer. Eine Spitzenbeamtin aus dem Finanzministerium steigert nicht etwas die Steuereinnahmen ihrer Behörde, sondern ihr eigenes Einkommen. Kevin Kühnert (SPD-Generalsekretär) war – auf den Fall angesprochen – sichtlich fassungslos. Aber das war es dann auch schon. Für Änderungen wie das Schließen von Steuerschlupflöchern fehle der politische Wille.
Kevin Kühnert fassungslos, aber Änderungen? Nein.
Und hier meine ich, erklären zu können, warum das so ist. Die gängige Meinung der Politik ist, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten der Reichen für unser Land eine höhere Relevanz haben als die paar Steuergroschen, die Angestellte meines Kalibers zahlen. Die Vorstellung im Finanzministerium ist folgende: Wenn so ein Superreicher mit seinen gesparten Steuermillionen auf die Idee kommt, in einer Hamburger Werft eine Luxusyacht im Wert von 250 Millionen zu bestellen, dann ist Deutschland gut geholfen. Dann wurden doch die gesparten Millionen immer noch zum Nutzen Deutschlands investiert, und die Welt ist in bester Ordnung. Und genau so denken die Reichen selbst über ihren Reichtum. Sie sind 100%ig davon überzeugt, dass das Geld am besten im Ausland oder in einer Stiftung aufgehoben ist. Keinesfalls darf ein Teil des Geldes beim Fiskus landen. Und so ist die Oberschicht in unserem Land wie stets auf einer Wellenlänge. Leben und leben lassen. Heute ist man sich in Sachen Steuervermeidung einig. Morgen trifft man sich auf Dubai.
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