Bei der Leipziger Messe überraschte Habeck gestern mit obiger Aussage und fügte noch hinzu, dass es so nicht weitergehen könne und es mit der Gemütlichkeit vorbei sei.
Wie jetzt. Ich soll aus dem mir selbst verordneten Kellerverlies heraus? Weg aus meiner selbstgewählten Einsamkeit? Raus in diese lebensfeindliche Welt mit all diesen Problemen, die ich nicht lösen kann? Raus aus der Gemütlichkeit? Möchte ich eigentlich gar nicht.
Vor allem führt Habeck nicht aus, was ich denn tun soll, sollte ich mich tatsächlich entscheiden, aus meiner Komfortzone herauszukommen. Wobei Komfortzone relativ ist. Zwar schauen die Umstände meiner Homeofficetätigkeit recht komfortabel aus, meine Arbeitszeiten sprechen aber eine andere Sprache. Herr Habeck, ich habe somit jedes Recht, Ihre Aufforderung zu ignorieren.
Natürlich muss man auch sehen, dass Habecks Gemütlichkeitsaussage von mir aus dem Kontext gerissen wurde. Habeck meinte wohl eher die Liberalen. Da habe ich aber noch einmal Glück gehabt, obwohl es die Medien anders wahrnehmen.
Kretschmer und Habeck im Disput
Meinen virtuellen Dialog mit Habeck führte heute der sächsische Ministerpräsident Kretschmer auf der Leipziger Messe weiter. Die Idee, die Schuldenbremse zu lösen, indem man ein Sondervermögen schafft, bezeichnete Kretschmer als falschen Weg, den schon die „DDR“ gegangen ist. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf und zeigt, dass er die ostdeutschen Wähler verstanden hat. Diese wollen keine „DDR“-ähnlichen Verhältnisse, weder wirtschaftlich noch ideologisch. Sachsen könnte mit Kretschmer bei der Landtagswahl die Kurve bekommen. Zumindest könnte man stärkste Kraft bleiben. Was man aus dem Wahlergebnis dann macht, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Interessant war die heutige maybritt-illner-Sendung im ZDF mit Spahn, Kühnert, von Storch, Wagenknecht und der Journalisten Melanie Amann. Die stärksten Argumente hatte aus meiner Sicht Jens Spahn von der CDU. Klare Formulierungen, klare Fragestellungen an Kühnert. In Sachen Migration stellte Spahn dem Kevin Kühnert die einfache Frage, ob es ein gemeinsames Verständnis für die Grenze des Machbaren gebe. Das wollte der einfach nicht beantworten.
Für Beatrix von Storch von der AfD wurde es nicht das erwartbare Kreuzverhör. Weil es größtenteils um Migration ging, wusste sie Spahn und Wagenknecht auch grundsätzlich auf ihrer Seite. Und gerade Wagenknecht ist rhetorisch fit.
Weil der Fernseher gerade lief, gab ich mir auch noch… Lanz. Er hatte mit der Bundesumweltministerin Lemke und weiteren Gesprächspartnern eine ruhige Runde, in der er keinen Hauptgegner ausgemacht hatte. Also ließ er sie auch aussprechen. Das Gesprächsklima war deutlich ruhiger als bei Maybritt Illner mit ihren vier Alpha-Tieren.
Illner und Lanz im ZDF am Stück
Ein paar Sätze sind dennoch nicht hinnehmbar. Der Soziologe Matthias Quent meinte sinngemäß, die bürgerliche Mitte in Deutschland sei so stark, dass bei uns eine Polarisierung wie in den USA nicht möglich sei. Das sehe ich nicht so. Tatsächlich sind wir auf dem besten Weg in eine polarisierte Gesellschaft.
Am besten gefiel mir Michael Bröcker vom ThePioneer, der die Positionen der Bundesumweltministerin Lemke und auch von Herrn Quent mehrmals in Frage stellte. Lemke wehrte sich hartnäckig dagegen, die Umweltpolitik der Grünen als deren Ideologie darzustellen. Dieser Versuch der Trennung von Politik und Ideologie gelang nur halb. Am Beispiel der abgeschalteten Atomkraftwerke versuchte Lanz, das Gegenteil zu beweisen. Die Grünen hätten auf eine 30-Mio-Tonnen-CO2-Reduktion verzichtet, als man die AKW’s abschaltete. Deswegen hat auch die Plattform cicero gegen Habecks Wirtschaftsministerium auf Akteneinsicht geklagt und jetzt auch gewonnen.
Das Ministerium muss nun Akten zu den AKW-Abschaltungen herausrücken. Dagegen hatte sich das Ministerium lange gewehrt. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte, dass die Geheimhaltung rechtswidrig ist. Der Bericht von cicero offenbart auch die Widersprüche. Meine Wahrnehmung ist, dass die Ampel die Atomkraftdebatte in Deutschland für beendet erklärt hat. Im Gerichtsverfahren argumentierten die Juristen des beklagten Ministeriums genau gegenteilig. Die Geheimhaltung sei geboten, weil die Debatte noch anhalte. Ach. Die Blockadehaltung von Habeck – mit seltsamen Argumentationsketten – stärkt nicht eben das Vertrauen in die Politik.
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