Wer über einen SZ-Plus-Zugang verfügt, der kann sich durchlesen, wie ein SZ-Redakteur mit abgeschlossenem Studium der Sozialwissenschaften das Problem des fehlenden Wohnraumes in Deutschland angehen würde. Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass er die Wohnungsbauministerin Geywitz an ihr Versprechen erinnert, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen. Aber weit gefehlt.
Die Oma als gesellschaftliches Übel
Schon allein das Eingangsbildchen zeigt, wohin die Reise geistig gehen soll: Der anklagende Zeigefinger zeigt auf die nicht arbeitende und Zeitung lesende Oma, die in ihrer viel zu großen Wohnung bzw. ihrem zu großen Haus vor sich hinlebt und die Probleme der Gesellschaft ignoriert, weshalb radikale Maßnahmen angesagt sind.
Was dann kommt, ist eine einzige ideologische Betrachtung. Nils Wischmeyer macht nicht etwas die Sozi-Regierung dafür verantwortlich, dass es kaum noch bezahlbaren Wohnbau gibt, sondern übernimmt freudig die Ideen der links-grünen Ampel, doch einfach alles viel besser umzuverteilen. Und da könnte man doch bei den Häusern der Omis beginnen. Denn immerhin würden ja sechs Prozent der Haushalte in Großstädten in Wohnungen wohnen, die eigentlich zu klein sind. Denen muss geholfen werden.
Höchste Zeit für ein paar Umzüge.
Es wäre also „höchste Zeit für ein paar Umzüge“. Denn sonst müssten Familien mit ihren Kindern weiter auf zu wenig Raum leben, was die Ausbildung zukünftiger Leistungsträger in den Großstädten gefährde, während die Senioren auf viel zu viel Platz leben würden. Das sei aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nicht effizient und werfe auch ethisch-moralische Fragen auf, wie zum Beispiel diese: Darf eine Bevölkerungsgruppe so leben wie sie möchte, auch wenn sie damit andere beeinträchtige, in ihrer Entfaltung, in ihrer Entwicklung, im Zusammenleben?
Das ist schon nicht mehr witzig, dieser Gedankengang ist höchst problematisch. Wann genau beginne ich, mit meinem Leben andere zu beeinträchtigen? Darf ich mich schon beeinträchtigt fühlen, wenn in Oberhausen zwei ukrainische Basketballspieler von einem Messerstecher ermordet werden? Oder gehört das eher nicht dazu, weil geografisch zu weit weg? Fühlt sich mein Nachbar bereits beeinträchtigt, wenn ich das teurere Auto fahre, mehr Geld verdiene und öfter in den Urlaub fahre, oder eben… das größere Haus besitze? Darf sich die junge Generation schon beeinträchtigt fühlen, weil unsereins die Immobilie im richtigen Moment gekauft hat, eine Möglichkeit, die der jungen Generation wegen der zu hohen Grundstücks-, Bau- und Finanzierungskosten heutzutage oftmals versagt bleibt? Wird aus der Gnade der früheren Geburt nun ein gesellschaftlicher Nachteil, weil wir etwas besitzen, was andere gern besitzen würden?
Radikal einfache Lösung
Zurück zum Artikel: Der Staat dürfe doch sicherlich etwas tun, um dieses „Ungleichverhältnis“ zu ändern Die Lösung wird gleich mitgeliefert: Die Gesellschaft könnte den Remanenzeffekt mit einer radikal einfachen Lösung aus dem Weg schaffen: Oma muss umziehen.
Woran es hängt, dass das nicht klappt, wird gleich erklärt. Es ist die digitale Hürde. „Webseiten wie Immoscout24 kennen die (alten Menschen) nicht“.
Wie oft habe ich älteren Menschen in meinem Umfeld schon erklärt, dass sie sich in Sachen IT ein wenig aufschlauen sollen. Ist nicht so einfach, das ist eine zähe Angelegenheit.
Die älteren Menschen wollen einfach die immoscout24.de-Seite nicht kennenlernen. Stur also auch noch. Ich hatte mir das Thema schon einmal vorgeknöpft. All diese vorgebrachten Argumente, die die alten Menschen aus ihren freilich zu großen Häusern vertreiben sollen, bin ich schon einmal durchgegangen. Fazit: Wischmeyer liegt in seiner Betrachtung komplett daneben. Erstens: Die Ehepaare, die sich das eigene Haus zugelegt haben, haben das geschafft, weil sie mehr dafür gearbeitet haben, als sich die junge Generation heutzutage überhaupt vorstellen kann. Das Kindergeld betrug einmal 50 DM. Den Sozialstaat in seiner heutigen aufgeblähten Form gab es früher nicht. Das heißt, dass sich die Menschen ihre eigenen vier Wände redlich verdient haben, und dies bei unfassbar hohen Zinsen, die schon mal an die 10%-Marke heranreichten.
Radikale Forderungen zu stellen, um an der Wohnsituation etwas zu verändern, sind anmaßend und greifen auch in das Vererbungsprinzip ein. Die übriggebliebene Oma „blockiert“ zwar den Wohnraum, letztlich wird er aber doch vererbt und neu genutzt. Die Reaktion der Erben wollte ich mal sehen, wenn sie plötzlich feststellen, dass die Oma ihr Haus auf Anraten der deutschen Chefideologen verkauft hat und dann auf die Idee kam, das Bargeld bei ein paar ausgedehnten Weltreisen auf den Kopf zu hauen.
Jetzt kommen wir noch zur eigentlichen Fehleinschätzung: Rentner brauchen weniger Platz. Das sehe ich nicht so. Je stärker pflegebedürftig sie werden, desto mehr Platz brauchen sie. Ich denke an Dinge wie Pflegebett und Rollstuhl.
Benötigte Dinge, die ich jetzt ganz selbstverständlich vom Dachboden oder aus dem Keller hole, müssen im Alter griffbereit sein. Wo sind sie denn, die 80qm-großen Erdgeschosswohnungen mit geräumigen Zimmern und altengerechten Bädern?
Wohlstandsmüll und Staubfänger in den Häusern eschweren den Umzug
Weiterer Punkt: Wer fünfzig Jahre in seinem eigenen Haus wohnt, der hat sich das Haus vollgestellt. Da gibt es keinen leeren Schrank, kein leeres Regal, keinen freien Quadratmeter im Keller, keinen Platz in der Garage, kein freies Fleckchen im Gartenhäuschen mit dem Rasenmäher. Ich weiß wovon ich spreche. Im Hinblick auf das Alter propagiere ich bereits den Begriff „Abrüstung“. Schwieriges Thema. Denn auch bei uns hat sich der Wohlstandsmüll in seiner schönsten Ausprägung breitgemacht, ergänzt durch Staubfänger aller Art. Und jetzt wollen ausgerechnet wir einer achtzigjährigen rüstigen Dame erklären, dass sie sich mal eben den Entsorgungscontainer vor das Haus stellen lassen soll, weil die Hälfte ihres Besitzes in die neu zugewiesene Mietwohnung nicht hineinpassen wird und aus Umweltgründen sowieso nie hätte angeschafft werden dürfen?
Das ganze Thema ist sozialistischer Schwachsinn, angereichert mit der Idee einer „Alleinwohnsteuer“. Genau mein Humor. Ich hätte bei dem Beitrag tatsächlich fast auf reine Satire getippt, doch fehlen hierfür die klassischen Merkmale.
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