Freitag, 17. Mai 2024, ovb-Bericht, Rente: Es bleiben 200 Euro…

https://www.ovb-online.de/muehldorf/muehldorf/frauen-tragen-hauptlast-der-care-arbeit-der-lohn-200-euro-rente-93071169.html

Auf der Mühldorfer Lokalseite wurde gestern über die Fälle zweier älterer Damen aus dem Landkreis Mühldorf berichtet. Eine Dame wird vom ovb „Katharina T.“ genannt. Sie sei 58 Jahre alt und habe bisher einen Rentenanspruch in Höhe von 200 Euro erwirtschaftet. Sie habe sich auf das „derzeit verbreitetste Lebensmodell“ verlassen, bei dem Frauen bei der sozialen Absicherung auf ihren Mann angewiesen seien. Echt? Nein. Dieses Lebensmodell ist schon länger nicht mehr aktuell. Die Dame lebt geistig in der Vergangenheit.

Man hätte gespürt, wie intensiv sich die Dame mit dem Rententhema befasst hat. Leider Jahrzehnte zu spät. Zu den traditionellen Rollenbildern käme das Problem des Steuersystems, das Ehegattensplitting mit seinen Steuerklassen 3 und 5. Das wäre eine Bevorzugung von Ehepaaren mit höherem Einkommen. Am Ende stehe mehr „Sorgearbeit“ für die Frauen. Nach einem Kind seien die Minijobs und die pflegebedürftigen Eltern gekommen. Das Ehegattensplitting hat mit ihrem Rentendilemma nun wirklich nichts zu tun. Bitte keine Ablenkungsmanöver.

Hier werden in üblicher Weise die Opferkarten ausgespielt, wobei der Bericht weder auf die Ersparnisse noch auf die Wohnsituation der Dame eingeht.

Die typischen Opferkarten, alles ist so ungerecht.

Die Dame kann mit 58 Jahren noch mindestens zehn Jahre Fulltime arbeiten und ihre Rentensituation verbessern. Der Verweis auf das Ehegattensplitting taugt nicht. Kein Ehepaar wird gezwungen, die Steuerklassen 3 und 5 zu wählen. Schon mit dem ersten Minijob, den die Damen antrat, konnte sie wissen, dass sie nur geringste Rentenansprüche erwirbt. Mit dem intensiven Befassen mit dem Rententhema hätte die Dame in jungen Jahren beginnen können. Jetzt dem ovb sein Herz auszuschütten, ist ein wenig dünn.

Die richtige Zeit für eine Frau im Arbeitsmarkt gebe es laut der Vorsitzenden des Katholischen Deutschen Frauenbundes, Birgit Kainz, nie. Wieso das denn? Die durchschnittliche Familie hat zwei Kinder (statistisch sogar nur 1,4 oder so), vielleicht im Abstand von fünf Jahren. Mit zwölf Jahren sind die Kinder selbständig, Das ergibt eine maximale „Ausfallzeit“ für den Arbeitsmarkt von 17 Jahren. Bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren kann man somit 28 Jahre in die Rentenversicherung einzahlen. Ich finde schon, dass dieses Zeitfenster von 28 Jahren die richtige Zeit und eine richtig lange Zeit ist. Wenn der Mann zudem seine 45 Jahre gearbeitet hat und dazu noch eine Karriere hingelegt und ordentlich Geld verdient hat, blickt das Ehepaar zum Rentenbeginn auf 73 Arbeitsjahre mit ordentlichem Gesamteinkommen und entsprechenden Ersparnissen zurück. Und das soll für das Alter nicht reichen? Ich muss schmunzeln.

Keine richtige Zeit für Frauen am Arbeitsmarkt

Der ovb-Bericht ist eine einzige versteckte Anklage gegen das ach so ungerechte Rentensystem. Jede fünfte Frau über 65 sei von Altersarmut betroffen. Wenn dieser Wert für Gesamtdeutschland gilt, dann kann man davon ausgehen, dass der Anteil der von Altersarmut betroffenen Frauen in Westdeutschland noch viel höher wäre, wenn es nicht die ostdeutschen Frauen gäbe, die bis 1989 ganz selbstverständlich – trotz kleiner Kinder – in Vollzeit arbeiten gegangen sind, und damit den Wert stark verbessern.

Und die Frauen, die noch keine 47 Jahre alt sind, hätten das besondere Pech, beim Ableben ihres Ehemannes nur noch die kleine Witwenrente (25% der Rente des Mannes) zu bekommen und nach zwei Jahren gar nichts mehr. Hier meine ich, dass der Gesetzgeber eher den Missbrauch im Blick hatte. Die Gefahr, dass junge Frauen betagte alte Männer heiraten, um die Rentenversicherung bluten zu lassen, ist offensichtlich.

Auch Witwer und Witwen lassen die Rentenversicherung ordentlich bluten. Sie finden zwar einen neuen Partner, heiraten aber nicht, um die große Witwen- bzw. Witwerrente nicht zu verlieren. Außerdem gilt die Altersgrenze mit den 47 Jahren noch gar nicht. Die Erhöhung von 45 auf 47 Jahren geschieht seit 2012 schrittweise um einen Monat pro Jahr und wird erst 2029 erreicht sein. Somit sind wir jetzt – im Jahre 2024 – exakt bei 46 Jahren.

Sozialamt als letzter Ausweg

Und alles würde mit dem Gang nach Canossoa, sprich: zum Sozialamt, enden. Genau das ist das Problem. Solange es diese Möglichkeit gibt, den Gang zum Sozialamt anzutreten, wird das Problem der Ignoranz junger Menschen gegenüber der eigenen Rente im Alter nicht enden. Der Staat tut sein Übriges zu dieser Fehlentwicklung und baut das System der Minijobs noch aus, indem die Ampel die Verdienstgrenze von 520 auf 538 Euro erhöht hat. Die richtige Lösung wäre, das System abzuschaffen.

Zu allem Überfluss kann man sich beim Arbeitgeber von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Wenn man aber als Minijobber Rentenbeiträge einzahlt, dann sind das 3,6% von maximal 538 Euro. Das macht: 19,30 Euro pro Monat. Der Arbeitgeber zahlt 15%. Das ergibt: 80,70 Euro. Insgesamt werden somit exakt 100 Euro pro Monat eingezahlt. Wenn man das sein Leben lang macht, beträgt die mehr als karge Rente vermutlich ungefähr 150 Euro.

Die zweite Dame hat vier Kinder großgezogen. Viele Jahre lang sei sie Hausfrau gewesen. Ihre Rente: 500 Euro. Konnte man nicht ahnen, dass man als Hausfrau keine Rente erwirtschaftet. Wenn die Dame für ihre Kinder zu Hause geblieben ist, warum unterstützen die vier erwachsenen Kinder die Mutter finanziell nicht? Das würde sich moralisch gehören. Die Fragen, wie man bei höheren Kosten für Heizung, Lebenshaltungskosten, Sprit und Versicherungen sein Leben auf Dauer stemmen soll, darf sie getrost ihren Kindern, ersatzweise ihren Enkeln, stellen, aber nicht uns. Bei den Kindern und damit in der Familie liegt der Schlüssel, nicht aber bei der Gesellschaft oder beim Sozialamt.

Staat statt Familie

Der ganze ovb-Bericht ist ein wenig an den Haaren herbeigezogen und bleibt oberflächlich. Es ist auch handwerklich der Wurm drin. Die Dame „T.“ verweist auf Regelungen zur Absenkung der Hinterbliebenenrente, die bereits 2002 beschlossen worden seien. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mit dem Paket damals auch beschlossen wurde, die Erziehungszeiten besser anzurechnen. Nur deshalb kommt die Dame mit ihren vier Kindern überhaupt auf 500 Euro.

Gegen wen richten sich eigentlich die versteckten Vorwürfe? Hoffentlich gegen sich selbst und die eigene Tatenlosigkeit.

Auch die Möglichkeit des Rentensplittings, also die Möglichkeit, die Rente zwischen den Ehepartnern partnerschaftlich aufzuteilen, wird nicht erwähnt.

Fazit: Die Logik, erst im Alter völlig überrascht den niedrigen Rentenbescheid zu bekommen, ist leider überhaupt nicht zielführend. Das Rententhema muss sich wie ein roter Faden durch das gesamte Arbeitsleben ziehen.

Je mehr ich über den Bericht nachdenke, desto stärker juckt in den Fingern, im ovb einen Leserbrief zu platzieren, um mir den Bericht und auch die Damen vorzuknöpfen, falls es sie überhaupt gibt.


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