Die Nachricht der Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange kam überraschend. Persönlich hatte ich mir nicht vorstellen können, dass die Amerikaner zu irgendwelchen Verhandlungen oder irgendeinem Kompromiss bereit sein könnten. Nach langen Verhandlungen wahren die USA in dieser Angelegenheit aber ihr Gesicht, in dem es zu einem Prozess gegen Assange kommt, der auf den zu den USA gehörenden Marianen-Inseln im West-Pazifik stattfindet. Assange wird sich in einigen Anklagepunkten schuldig bekennen und dafür zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden. Weil er diese Zeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in London schon abgesessen hat, wird er den Gerichtssaal als freier Mann verlassen und in das nahe Australien zurückfliegen. Dem amerikanischen Anspruch auf Gerechtigkeit scheint damit Genüge getan zu sein. Mir ist es völlig egal, wie der Deal lautet. Offiziell soll sich Assange der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen. Wichtig ist, dass Assange in Freiheit weiterleben und sich von dem Gefängnisaufenthalt vollständig erholen kann.
Pseudo-Gerichtsverhandlung auf den Marianen-Inseln
Assange war aus meiner Sicht ein Investigativ-Journalist und hätte somit unter allen Umständen vor Bestrafung geschützt werden müssen. Das war nicht der Fall, was ein übles Licht auf die westlichen Länder wirft. Wie sich die deutsche Regierung in 11/2023 zum Fall geäußert hat, kann man hier lesen.
Klägliche 75 Bundestagsabgeordnete appellieren für die Freilassung
Am 19. Februar 2024 gab es einen Appell von 75 Bundestagsabgeordneten der Ampelfraktion. Etwas wenig, angesichts von 416 Bundestagsabgeordneten, die zu den drei Parteien der Ampel gehören. Die anderen Abgeordneten hatten wohl Bedenken hinsichtlich ihrer nächsten USA-Reise. Warum sich CDU/CSU-Abgeordnete nicht beteiligten, ist zu hinterfragen. CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt versuchte es am 22.02.2024 mit einer Erklärung, die aus meiner Sicht aber schwach ausfiel. Hardt glaubt an ein faires Verfahren in den USA. Wir sprechen von dem Rechtssystem, bei dem man auf dem elektrischen Stuhl landen kann, bzw. wo die Chancen, vor Gericht glimpflich behandelt zu werden, umso besser sind, je besser man seine Anwälte bezahlen kann. Das unterscheidet die USA in keiner Weise von Deutschland. Dem deutschen Rechtssystem traue ich auch nicht mehr über den Weg. Wenn man vor ein deutsches Gericht gezogen wird, ist die Aussicht, den Prozess zu verlieren, eine reale Gefahr.
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt erwartete noch im Februar ein rechtsstaatliches Verfahren in den USA
Ein aktuelles Statement gibt es von unserer Außenministerin Annalena Baerbok. Ihrer Meinung nach sei die Freilassung (auch) ein Ergebnis von „Basisorganisationen, Aktivisten für die Pressefreiheit, Gesetzgebern und führenden Persönlichkeiten aus dem gesamten politischen Spektrum bis hin zu den Vereinten Nationen“. Einmal kurz durchatmen und zusätzlich überlegen, wie egal der amerikanischen Justiz das Handeln von „Aktivisten für die Pressefreiheit“ ist. Von welchen „Gesetzgebern“ spricht sie?
Warum findet der Prozess nicht einfach in den USA statt? Nun, zu einem solchen Kompromiss war Assange aus gutem Grunde nicht bereit. Auf dem Weg vom Flughafen zum Gerichtsgebäude wäre die ‚Unfallgefahr‘ auf amerikanischem Boden einfach zu groß gewesen. Was ich von dem ganzen Fall halte, habe ich exakt vor zwei Jahren erklärt, siehe einen Beitrag weiter unten.
Assange ist in den letzten 12y (7 Jahre Quasi-Gefängnis in der ecuadorianischen Botschaft und 5y im Gefängnis) unfassbar gealtert. Er hat für seine Tätigkeit teuer bezahlt.
Sonntag, 26. Juni 2022, Politik: WikiLeaks-Gründer Julian Assange droht die Abschiebung in die USA
Gut, dass grade der G7-Gipfel stattfindet. Unsere Außenministerin Annalena Baerbock kann ihre Forderung aus der Zeit, als sie noch Kanzlerkandidatin war, persönlich an Joe Biden und Boris Johnson überbringen. Denn dazumals forderte sie die sofortige Freilassung von Assange. Ich schlage vor, sie hockt sich in Ellmau mit dem Joe in die Sauna und lässt es auf eine kleine hitzige Debatte ankommen. Zwischenmenschlich ist bei diesem Saunagang nichts zu befürchten. Biden ist doppelt so alt wie sie und wird nicht mehr recht wissen, um was es da geht.
Wichtig wäre allerdings, dass die Annalena dem Joe (in der Sauna) und dem Boris Johnson (dann doch vorzugsweise auf der Terrasse mit Blick auf die Berge, denn bei sechs Kindern mit drei verschiedenen Frauen ist er eher im Bilde) klar macht, dass deren Demokratieverständnis nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist. Auch aus praktischen Erwägungen heraus wäre eine Verurteilung von Julian Assange zu 175 Jahren nicht recht zielführend, weil der sich schwertun wird, die 175 Jahre tatsächlich abzusitzen. Und überhaupt müssten sich beide noch einmal überlegen, ob Pressefreiheit nicht doch ein hohes Gut ist, dass es zu schützen gilt. Denn Assange hätte nun doch eigentlich nur seinen Job erledigt. Wenn dann für die USA bittere Wahrheiten zu Morden an Zivilisten ans Tageslicht kommen, dann wäre es doch eigentlich eine gute Idee, dass sich die amerikanische Rechtsprechung doch eher einmal darum kümmert, als einen Journalisten als Staatsfeind Nummer Eins festzulegen. Und sie könnte noch hinzufügen, dass das Signal an den Rest der Welt verheerend sei. Man könne nämlich nicht die eigenen demokratischen Werte auf die ganze Welt verteilen wollen, wenn man sich selbst nicht an demokratische Spielregeln halte.
Baerbok sollte mal mit Joe sprechen
Was beim G7-Gipfel auch gut ankäme, wäre es, einen schönen Gruß an Schweden zu schicken, die es zugelassen haben, Assange 2010 mit sexuellen Missbrauchsvorwürfen zu überziehen. Klar spielten solche konstruierten Vorwürfe den schwedischen Behörden in die Hände, weil das zur gewünschten Vorverurteilung führte und damit die Entscheidungen erleichterte. Assange wiederum wusste sich nicht mehr zu helfen und suchte Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London. Die Schweden mussten dann 2019 kleinlaut zugeben, dass die Beweislage dann doch relativ schwach war – faktisch war das Kartenhaus zusammengefallen – und ließen ihre Anklage fallen. Aber das Problem hatten sie zumindest gelöst. Einmal aufatmen. Der Mann war weg. Und das war ziemlich gut für die schwedisch-amerikanischen Beziehungen. Denn die Amerikaner verstehen es ganz gut, im richtigen Moment den richtigen Druck auszuüben. Und dieser Druck kann für jedes Land der Welt unangenehm sein, so man denn dort eine Regierung hat, die rational denkt.
Ecuador wiederum wählte irgendwann einen neuen Präsidenten. Der hatte andere Dinge zu tun, als den unschuldigen Assange weiterhin zu schützen. Assange musste die Botschaft nach sieben Jahren verlassen und kam in britische Auslieferungshaft. Die alte britische Demokratie hätte nun wiederum die Chance gehabt, Assange vor den Amerikanern zu schützen. Aber der Fall Assange kostet den britischen Steuerzahler so viele Pfund, dass sich die Innenministerin schweren Herzens für die Auslieferung entschied, selbstverständlich gegen ihr eigenes demokratisches Grundverständnis. Aber was soll man machen? Kosten, der schon erwähnte Druck der Amerikaner. Da muss die Pressefreiheit leider, leider zurückstehen. Aber man vertraue natürlich vollumfänglich dem amerikanischen Rechtsstaat, blablabla, usw. usf. Wir erinnern uns, dass sogar Doppelmörder freigesprochen werden, wie damals O.J. Simpson 1994. So funktioniert der amerikanische Rechtsstaat. Da müssen wir uns um Assange nun wirklich keine Sorgen machen. Dass Assange in den letzten fünfzehn Jahren seine Gesundheit komplett eingebüßt hat, wird sich sicherlich strafmildernd auswirken.
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