Betrachtet man die Schlagzeile isoliert, fällt sie direkt als Sommerloch-Theater durch.
Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf hat natürlich schon ein wenig anders argumentiert. Die Überschrift in der Wirtschaftswoche, er „fordere“ die Rente mit 70 für Bürojobs, kommt im Text anders rüber. Er spricht von einer notwendigen Anhebung des Rentenalters. Jemand mit einem Bürojob könne bis 70 arbeiten.
„Können“ und „Müssen“ sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Es steht auch fest, dass Burnout eher Büro-Angestellte betrifft und weniger Schichtarbeiter bei Wacker in Burghausen, auch wenn Büroarbeit körperlich weniger anstrengend ist.
Gesetzliche Regelungen, die den Rentenanspruch eines Fabrikarbeiters und den Rentenanspruch eines Büro-Angestellten unterschiedlich regeln, wird es niemals geben. Der bestehende Gesetzespfusch rund um die Rente genügt völlig.
Was geisterten in den letzten Jahrzehnten nicht alles für Begrifflichkeiten herum: Zuschussrente, Lebensleistungsrente, Grundrente, Respektrente. Eine unpräzise Begrifflichkeit wie “Respekt” soll eine anspruchsbegründende Wirkung haben? Genau mein Humor.
Eine sehr schöne, wenn auch sehr fachliche Abhandlung präsentiert die Wirtschaftswoche, die den “Repekt”-Begriff dann auch vortrefflich anhand der 35-Mindestarbeitsjahre auseinandernimmt. Wer 34 Jahre in Vollzeit durch Erwirtschaftung von Rentenpunkten vorgesorgt hat, bekommt weniger Rente als jemand, der 35 Jahre lang etwas mehr als gringfügig beschäftigt war? Das war der Plan der großen Koalition. Die Festlegung der 35 Jahre entbehrt jeder Logik. Ihr wohnt eine Beliebigkeit inne. Warum gerade 35 Jahre? Warum nicht 34 oder 36 Jahre?
Ein Satz in dem Bericht ist wirklich prägend: Die Solidargemeinschaft trägt keine Verantwortung dafür, dass es einen Niedriglohnsektor mit daraus resultierenden niedrigen Rentenansprüchen gibt.
Der Beitrag der Wirtschaftswoche stammt aus dem Jahr 2019 und hat das Prinzip der Grundrente nach allen Regeln der Kunst in der Luft zerrissen und mit unzähligen Argumenten zerstört. Eingeführt wurde die ungerechte Grundrente 2021 natürlich trotzdem. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Man fragt sich manchmal, wie sich der Arbeitsminister Hubertus Heil so lange in der Politik halten konnte. Und er ist immer noch da.
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