Letztens poppte auf dem iPhone diese interessante Instagram-Nachricht auf. Das Landratsamt Mühdorf sucht einen JUVO (Jugendpfleger vor Ort). Ich erinnerte mich sogleich an den Stadtratsantrag der Neumarkt-Sankt Veiter CSU, die 2023 einen Jugendpfleger für unsere Stadt ins Gespräch gebracht hatte. Und es kam mir verdächtig vor, zu diesem Thema lange nichts gehört zu haben.
Ich dachte beim Blick auf Instagram natürlich: Schau an, jetzt ist es so weit. Jetzt kommt der dringend benötigte JUVO nach Neumarkt. Leider sucht das LRA den JUVO aber nicht für NSV, sondern für Ampfing und Heldenstein. Heldenstein hat nicht einmal die Hälfte der Einwohner von NSV, hält ihn aber weiterhin für notwendig, denn scheinbar ist den beiden Gemeinden der JUVO zwischenzeitlich abhandengekommen.
Das war jetzt eine gute Gelegenheit, in NSV nach dem Status zu fragen. Es konnte ja nur noch eine Formsache sein, nachdem laut ovb schon im Januar 2023 konkrete Schritte unternommen worden waren.
Ich probierte es zunächst bei meiner eigenen Partei. Die Nachfrage lieferte zwar keine direkte Antwort aber zumindest ein Detail: Der Antrag war in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert worden. Ein Thema, welches von hohem öffentlichem Interesse ist, verschwindet in der Nichtöffentlichkeit? Das war kein gutes erstes Zeichen.
Die SPD sprühte wegen der Nichtöffentlichkeit auch nicht direkt vor Mitteilungsfreude. Allein die Aussage, man habe den Antrag der CSU, der laut ovb aus 01/2023 stammt, immer unterstützt, war aber – sicherlich unbeabsichtigt – ein weiteres Puzzleteil. Ausdrucksweise in der Perfekt-, also in der Vergangenheitsform. Der Stadtrat wird doch nicht etwa?
Nichtöffentlichkeit als Showstopper
Nächster Versuch: Landratsamt. Auch hier nur der Verweis auf die Stadt, aber der Kontakt war am Telefon sehr freundlich.
Mein letzter Versuch war eine Mail an vg@neumarkt-sankt-veit.de. Und siehe da. Die Antwort kam zügig. Der Stadtrat habe eine Kooperation mit dem Landkreis Mühldorf zur Einrichtung eines Jugendpfleger vor Ort in der Sitzung am 20. Juni im nichtöffentlichen Teil der Sitzung wegen der hohen Kosten abgelehnt.
Irritierend, part 1: Aus der Verwaltung kommt ohne Umschweife die präzise Antwort auf eine einfache Status-Frage, die mir Stadträte verschiedener Parteien mit Verweis auf Nichtöffentlichkeit nicht beantworten wollten.
Irritierend part 2: Die Sitzung war am 20.6.? Das ist einen Monat her. Für wann war es eigentlich geplant, uns die frohe Botschaft zu überbringen?
Kommen wir zu der spannenden Frage, wie der Antrag überhaupt abgelehnt werden konnte. Wenn die CSU einen Antrag stellt, sollte man davon ausgehen, dass sie in voller Fraktionsstärke dann auch dahintersteht. Andernfalls wäre es ein Antrag einzelner Stadträte und nicht der CSU.
Mit neun CSU-Stimmen zuzüglich der zwei SPD-Stimmen hat man im Neumarkter Stadtrat eine Mehrheit von elf gegen neun Stimmen. Dennoch fand sich eine Mehrheit dafür, den Antrag abzulehnen. Meine Vermutung ist, dass entweder CSU-Stadträte, die geistig auf der UWG-Seite stehen, aus taktischen Gründen zu Hause geblieben sind oder es einfach ein oder zwei CSU-Stadträte gibt, die aus ihrer Zuneigung zu UWG-Positionen gar keinen Hehl mehr machen. Oder es trifft beides zu.
Pech für Neumarkt-Sankt Veit. Und schade, dass man die Argumentationsketten nicht erfährt. Die hohen Kosten können es unmöglich sein. Was wird eine Halbtagsstelle für ein Jahr kosten? 60.000 Euro? Die Problem-Jugend Neumarkt-Sankt Veits rechtfertigt keine Investition in Höhe von 60.000 Euro pro Jahr? Man lässt die Missstände einfach weiterlaufen? Immerhin war in einer früheren Stadtratssitzung auch das Drogenproblem in NSV angesprochen worden.
Drogenproblem in NSV
Mich wundert, dass nach der Mail-Antwort aus dem Rathaus nicht sofort ein ovb-Bericht nachgeschoben wurde, um meinem Blog und meiner Sicht der Dinge zuvorzukommen. Was uns zu der Frage führt, für wann es eigentlich geplant war, uns Neumarktern die schlechte Nachricht zu überbringen? Oder habe ich wegen meiner EM-Reisetätigkeiten seit dem 20.06.2024 irgendetwas im ovb verpasst?
Durch die nichtöffentliche Diskussion und Abstimmung hat man sich hier wohl selbst in seinen Möglichkeiten der Veröffentlichung und vor allem einer Erklärung eingeschränkt. Ein klassisches Eigentor.
Ich betrachte das Thema nicht zum ersten Mal. Weiter unten gibt es die historischen Blogs dazu. Es wird deutlich, dass der Stadtrat dem CSU-Antrag in 11/2023 schon einmal zugestimmt hatte. Und aufgemerkt: In öffentlicher Sitzung. Damals waren die ungefähren Kosten bereits bekannt. Und dennoch Zustimmung.
Jetzt revidiert der Stadtrat plötzlich seine eigenen Positionen. Selbst das wäre akzeptabel, wenn zwischen einer initialen Zustimmung und einer finalen Ablehnung fünf Jahre liegen würden. Da können sich die Welt und die Rahmenparameter signifikant verändert haben. Aber bei sieben Monaten?
Ein Schelm, der jetzt denkt, die guten Entscheidungen würden öffentlich gefällt, die kritikwürdigen dann lieber hinter verschlossenen Türen.
Mittwoch, 15. November 2023, Lokales, Stadtratssitzung: JUVO
Diesen CSU-Antrag beschrieb Heike Perzlmeier. Dem Jugendpfleger würden Ziele vorgegeben, die auch nachgehalten werden. Eines der Ziele sei, Kinder und Jugendliche an die örtlichen Vereine heranzuführen. Es gebe in Neumarkt auch ein Drogenproblem.
Der Antrag wurde durchgewunken. Es werden 30.000 Euro im Wissen eingestellt, dass die Kosten höher sein werden. Der Kämmerer rechnet mit 50.000,00 Euro, denn es werde ein Raum zur Verfügung gestellt werden müssen. Vielleicht nicht von Anfang an, aber später allemal. Fünfzehn Wochenstunden seien vorgesehen.
Meines Erachtens könnte folgendes passieren, wenn die Kontaktdaten des Jugendpflegers öffentlich sind: Eltern, die Probleme mit ihren Sprösslingen haben, werden ihn telefonisch geradezu belagern. Er braucht zunächst keinen Raum, er geht einfach als Zuhörer/Problemlöser zu den Familien in die Privatwohnungen. Damit dürfte er ausgelastet sein. Aber ja: Natürlich braucht es mittelfristig einen Raum für ihn.
01.02.2023, Lokalpolitik, ovb-Presseschau: Braucht es einen Jugendpfleger in Neumarkt-Sankt Veit?
Zwei ovb-Berichte sind mir zu dem Thema aufgefallen. Der erste stammt vom 17. Januar 2023 und der andere von heute. Eine CSU-Stadträtin brachte den Stein ins Rollen und eröffnete die Diskussion, ob Neumarkt einen ausgebildeten und bezahlten Sozialpädagogen braucht, der die nötige Kompetenz mitbringt, sich den Sorgen und Nöten von Teenagern anzunehmen.
Mein konventionelles Weltbild wird bei dieser Idee ein wenig durcheinandergerüttelt, weil doch eigentlich die Eltern erste Anlaufstelle für Teenager sein sollten, wenn diese in Nöten sind.
Niemand hinterfragt die sozialpädagogische Kompetenz von Eltern. Die Gesellschaft geht davon aus, dass Paare, die sich für Kinder entscheiden, die sozialen und pädagogischen Fähigkeiten zum Elternsein einfach mitbringen, bzw. diese sehr schnell entwickeln. Schnell deshalb, weil es durchaus schon vorgekommen sein soll, dass das Baby bei der Hochzeit schon unterwegs war. Die Logik finde ich eh gut. Ich meine, dass es in Italien nicht ungewöhnlich ist, dass die Frau erst schwanger ist und dann geheiratet wird. Das vermeidet ungewollte kinderlose Ehen.
Warum muss es ein Sozialpädagoge sein?
Zurück zum Thema: Es darf in Frage gestellt werden, ob ein Jugendpfleger unbedingt Sozialpädagoge sein muss. Die Sportvereine werden als wunderbare Basis für die soziale Integration dargestellt. Ich habe als Fußballtrainer in zwölf Jahren im Trainerumfeld aber nur einen Sozialpädagogen kennengelernt. Alle anderen Trainer waren einfache Familienväter, die auf dem Fußballplatz funktionieren mussten. Dass da aus sozialpädagogischer Sicht auch einiges schiefgeht, ist völlig klar.
Erstes Bambini-Training September 2009. Ein Kind ärgert das andere, das zu weinen beginnt. Alle anderen Kinder warten, dass das Training weitergeht. Schon hatte ich drei Probleme vor mir, die ich innerhalb weniger Sekunden lösen musste. Dass ein Co-Trainer/Soialpädagoge hier Wunder bewirkt, habe ich aber erst bemerkt, als ich viel später einen hatte.
Aber grundsätzlich werden in Deutschland Hundertausende Kinder und Jugendliche ihren Trainern und Betreuern anvertraut, die keinerlei sozialpädagogische Ausbildung besitzen. Da müsste auch schon der Hebel angesetzt werden. Jugendleiter in den Vereinen müssten bei der Trainersuche schon dahingehend sensibilisiert werden, die vorhandenen oder nicht vorhandenen sozialen Kompetenzen von Trainerkandidaten zu erkennen. Aber der „Markt“ gibt diese Logik gar nicht her. Eine der größten Herausforderungen in jedem Sommer ist es, für die neue Saison alle Trainerposten überhaupt wieder zu besetzen.
Man müsse Heranwachsende frühzeitig formen und präventiv tätig werden. Ich bin der Meinung, dass das soziale „Schicksal“ jedes Kindes im Alter von drei Jahren bereits entschieden ist. Später kann man mit etwas Glück noch korrigierend eingreifen. Mehr aber auch nicht. Die erste Seite, die mir google beim Eingeben des Suchbegriffes „Prägungsphase bei Kindern“ vorschlug, schreibt es schon in der Überschrift: Die ersten Lebensjahre sind entscheidend. Da brauchte ich gar nicht weiterlesen, um mich bestätigt zu fühlen.
Nach der Prägungsphase von Kindern ist nur noch wenig auszurichten.
Nach dem ersten ovb-Bericht hatten die Stadträte zwei Wochen Zeit, sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen. Um so interessanter ist es zu sehen, dass die meisten Wortmeldungen wiederum Fragen sind. Eine davon war, wie lange das Projekt JUVO bereits läuft. Die Antwort hätte man im Vorfeld innerhalb von zwei Minuten ergoogeln können, wenn, ja wenn man sich auf die Stadtratssitzung vorbereitet hätte. Ein Stadtrat teilt mit, dass er genau wisse, „was mit den Jugendlichen los“ ist. Schade nur, dass er uns an seinem Wissen nicht teilhaben lässt. Denn wenn man weiß, was mit den jugendlichen „Schlawinern“ los ist, hat man den Einstiegspunkt ja eigentlich schon gefunden.
Ansonsten war es keine Be-rat-ung im Sinne von Stadt-rat‘, sondern eine Fragestunde. Den Turm 1542 hätte man sich schon lange einmal anschauen kann, dazu brauche ich keinen Beschluss im Stadtrat, sondern nur einen Schlüssel. Typisch ist, dass die Kosten von acht Millionen Euro für die Stadtplatzsanierung von 18 von 20 Stadträten nicht hinterfragt werden, die im Vergleich dazu eher geringen Kosten für den Sozialpädagogen aber zum Sparfuchs-Thema gemacht werden. Brauchen wir das wirklich? Ist der Bedarf wirklich vorhanden?
Beantwortet hat diese Fragen niemand. Ich tue es und erinnere mich an den Post einer Neumarkter Facebook-Userin aus dem Januar als Reaktion auf den ersten Bericht, nach der „wir eine aktive Drogenszene haben, die wir zeitig eindämmen müssen“. Ich musste dann ein wenig recherchieren, um eine Einschätzung wagen zu können, ob diese Aussage aus berufenem Munde kommt. Antwort: Durchaus. Dann stünde aber eher die Frage im Raum, ob im Turm1542 nicht eine Kombination aus Polizeiinspektion und Jugendpfleger eingerichtet werden sollte.
Vorschlag: Polizei und JUVO in Kombination.
Egal wie, eines der ersten Projekte des Jugendpflegers sollte es sein, gemeinsam mit den Neumarkter Jugendlichen die Schmierereien im Fußballkäfig und an der Skaterbahn wieder zu entfernen. Wenn es denn überhaupt zu einem JUVO kommt. Der heutige ovb-Bericht vermittelt eher das Gefühl der Zögerlichkeit. Die CSU-Stadträtin, die den Stadtratsantrag (laut ovb-Bericht vom 17.01.) initiiert hatte, wird im heutigen ovb-Bericht nicht erwähnt. Das verwundert ein wenig.
Was überhaupt nicht aus der Diskussion hervorgeht ist das, was ich als Selbstverständlichkeit erachte, nämlich, dass der Jugendpfleger aus Neumarkt-Sankt Veit kommen muss. Könnte diesen Job ein Ortsfremder übernehmen?
Frau Puffer ist im Landratsamt für das JUVO-Projekt zuständig und wurde gefragt, ob man mit wenigen Stunden beginnen könnte. Ihre Antwort war, dass das von den Kapazitäten abhänge. Rückfrage: Was für Kapazitäten und wessen Kapazitäten?
Fazit: Es scheint mir ein langer Weg zu sein, bis ein Jugendpfleger in Neumarkt-Sankt Veit loslegen kann.
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