Weil die Bloggerin Anabel Schunke wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, beschäftigen wir uns heute mit der der ZHIN. Es handelt es sich um die „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet – Niedersachsen“. Sie wurde im Juli 2020 durch den niedersächsischen Landtag ins Leben gerufen. Es war unter anderem eine Reaktion auf immer stärker zunehmende verbale Angriffe auf Politiker in den sozialen Medien. Facebook und Twitter werden explizit erwähnt. Dass Elon Musk Twitter schon in 07/2023 zu X umbenannt wurde, hat sich bis zur Melde- Plattform noch nicht herumgesprochen.
Für mich riecht das von jeher stark nach Denunziation. Weil beispielsweise der Volksverhetzungsparagraf 130 des Strafgesetzbuches dehnbar wie Kaugummi und entsprechend auslegbar ist, ist man faktisch in Gottes Hand, wenn man im Netz aktiv ist. Denn der Paragraf 130 ist nun nicht einfach da und wird von den Strafverfolgungsbehörden genutzt. Die EU strengte in 12/2021 sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an. Deutschland habe den „Rahmenbeschlusses 2008 / 913 / JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ nur unzureichend umgesetzt. Die Ampel nahm den Ball dankend auf und verschärfte den Paragrafen.
Orwell lässt grüßen.
Unsereins steht jetzt da und weiß nie genau, wann es so weit ist. Wann findet sich der erste Zeitgenosse, der die „Meldung“ anzettelt und den kleinen Michi vor den Richter zerrt? Für einen „Melder“ ist die Sache ganz einfach. Screenshot eines Postings erstellen, einfach den Link nutzen und schon kann es losgehen – eine gmahde Wiesn, sozusagen. Die Vorgehensweise ist bestens erklärt. Der Melder wird dann auch nicht weiter behelligt. Der Staat ist zur Stelle und übernimmt mit Freude das weitere Prozedere.
Wenn man sich viele Themen im Internet – speziell auf X – anschaut, dann kommt man an bestimmten Kanälen nicht ganz vorbei. Sie tauchen einfach immer wieder auf. Heute spreche ich über Anabel Schunke, die ihren Kampf mit der Justiz auf X erklärt. Sie war genau in diese Situation geraten und beschäftigt mittlerweile mehrere Anwälte, die alle der Meinung sind, dass ihr Post aus dem Jahr 2022 eben nicht antiziganistisch (rassistisch im Hinblick auf Sinti und Roma) ist. Vor Gericht geht es hin und her. Es ist diese Zermürbung, die den ins Blickfeld des Staates geratenen Blogger in den Wahnsinn treibt und zermürbt.
Der vorliegende Fall ist an sich nichts Außergewöhnliches. Das Netz ist voll von ähnlich gelagerten Fällen bis hin zum Debanking. Ja, selbst solche neuen Fremdwörter halten Einzug ins beste Deutschland aller Zeiten.
Apollo-News bringt zum Schunke-Fall ein Detail ans Tageslicht, das stark zu denken gibt: Wegen Volksverhetzung soll die Journalistin Anabel Schunke jetzt 5.400 Euro zahlen. Angeklagt wurde sie von einer Staatsanwältin, die gleichzeitig für eine Meldestelle tätig ist, die wiederum die Anzeige gegen Schunke auf den Weg gebracht hatte.
Staatsanwältin laut Apollo-News auch bei der Meldestelle aktiv?
X schnappt in der Bewertung vollständig über. Eine paar Kommentare müsste ich eigentlich zitieren, ich fasse es aber so zusammen: „DDR“2.0. Alle Kommentare kann man sich hier und hier anschauen.
Mich irritiert die Sache, weil ich der Kolumnistin/Journalistin auf X schon eine Weile folge. Das meiste von dem, was sie schreibt, würde ich sofort unterschreiben. Es könnte sogar von mir stammen, wenn ich mehr Zeit als nur für einen Blog pro Tag hätte. Ich sehe keinen Hass, ich sehe keine Hetze, keine schlechten Umgangsformen, keine Kraftausdrücke, keine Verrohung der Sprache. Und sie benutzt das mir verhasste Ausrufezeichen nicht, was ein Riesenpluspunkt für sie ist.
Ich ertappe mich mittlerweile bei der Selbstzensur. Ich merke, wie ich immer vorsichtiger formuliere, obwohl mir doch das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit Selbstbewusstsein einflößen sollte. Ein Kommentator auf X berichtet darüber, dass der Begriff „Politiker faseln“ schon ausreicht, um ins Fadenkreuz der Justiz zu geraten. Das ist alles nicht normal.
Es ist richtig und wichtig, dass der X-Post von Anabel Schunke schon über 420.000 gelesen wurde. Noch Fragen, ob die Welt X braucht?
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