Samstag, 17. August 2024, Politik, ovb-Bericht: Grundsteuerreform 2025

https://www.ovb-heimatzeitungen.de/muehldorf/2024/08/14/kein-applaus-fuer-grundsteuerreform.ovb

Der gestrige ovb-Bericht zur Steuerreform anlässlich des Bürgermeistertreffens in Zangberg war faktenarm. “Wir werden keinen Applaus bekommen”, war noch eines der Highlights, wobei dieser Satz auch in sich falsch ist. Tatsächlich hätte ein informativer Beitrag ungefähr so lauten können:

Die Bundesregierung hat 2019 die Grundsteuerreform beschlossen, wobei sich am Bundesmodell nur elf Bundesländer beteiligen. Bayern hat sich abweichend für eine Flächenmodell entschieden. Der Wert des Grundstücks bzw. der Immobilie spielt keine Rolle. Das könnte man für äußerst ungerecht halten, weil der Besitzer einer Millionen-Villa in Grünwald somit genauso viel Grundsteuer bezahlt, wie der ärmlich vor sich hin vegetierende Neumarkt-Sankt Veiter im Reihenmittelhaus eines Dreispänners.

Ich halte folgendes Argument dagegen: Man stelle sich die alteingesessene Grünwalder Familie vor, die ihr Grundstück seit 150 Jahren besitzt und diese von Generation zu Generation weitervererbt hat. Sie hat sich damit niemals an der Immobilien-Spekulation beteiligt und hat keinerlei Verantwortung dafür, dass Immobilien-Haie die Preise in Grünwald seit Jahrzehnten in die Höhe treiben. Wo wäre die Begründung dafür, auch diese Familie in Form von höheren Grundsteuern finanziell an diesem Immobilien-Wahnsinn zu belasten, nur weil der Wert ihres Grundstückes ohne eigenes Mittun in die Höhe geschossen ist? Genau so sieht es aber das Bundesmodell vor, das in die Berechnung weiche Faktoren wie den Bodenrichtwert, das Alter des Gebäudes, die Mietniveaustufe, und die monatliche Nettokaltmiete inkludiert.

Weil Grünwald geistig und emotional zu weit weg ist, erkläre ich es am Beispiel Neumarkt-Sankt Veit: Wenn sich die Immobilienbranche in den nächsten Jahren auf Neumarkt-Sankt Veit stürzt, weil durch die A94 und den geplanten zweigleisigen Bahnausbau unser Städtchen quasi zum Vorort von München mutiert, möchte ich mit der daraus resultierenden Preisexplosion für Immobilien nichts zu tun haben, auch nicht in Form einer erhöhten Grundsteuerlast.

Gerechtigkeit und Gerechtigkeit sind nicht immer das Gleiche

Bayern hat sich für das absolut gerechte Flächenmodell entschieden, wofür es eigentlich Applaus geben müsste. Insofern ist die Aussage des Buchbacher Bürgermeisters Thomas Einwang, die Reform sei von „oben“ durchgesetzt worden und kompliziert, eigentlich nicht nachvollziehbar. Vielmehr hat das CSU-geführte Bayern die Folgen abgefedert. Und was bitte ist an folgender Berechnungsformel für die Grundsteuer B kompliziert?

Diese Tabelle habe ich als Laie in fünf Minuten zustandegebracht. Ich muss nun nur noch den letzten Grundsteuerbescheid finden und den neuen und den alten Wert vergleichen. Schon weiß ich, ob mich die Reform positiv oder negativ trifft. Das Herumlavieren im ovb-Bericht um diese Frage ist sinnlos.

Jetzt weiß aber sogar der blutige Anfänger in Sachen Grundsteuer, dass in der Tabelle die gemeindlichen Hebesätze als eines der wichtigsten Instrumente der Finanzierung der Kommunen fehlen. Beispiel: Beträgt der Hebesatz in einer Gemeinde 400%, beträgt die Grundsteuer dann eben das Vierfache des Beispielwertes.

An der bayerischen Grundsteuerreform ist nichts kompliziert.

Und hier beginnt die Kompliziertheit á la Einwang. Wie bringt man den Bürgern bei, dass man die Hebesätze auf Grund der Tatsache, dass den Kommunen finanziell das Wasser bis zum Hals steht, eigentlich deutlich erhöhen müsste? Antwort: Gar nicht. Auch Neumarkt-Sankt Veit müsste hier einen tiefen Schluck aus der Pulle nehmen, und die Hebesätze nutzen, um die massive Verschuldung unserer Stadt nach unten zu fahren. Wird es passieren? Nein. Bürgermeister, Kämmerer und die Stadträte haben überhaupt keine Lust, beim Semmelnholen oder beim sonntäglichen Spaziergang auf dem Stadtplatz permanent und massiv angezählt zu werden. Da wählt man doch lieber den Weg des geringeren Widerstandes und überlässt das Schuldenproblem der nächsten Generation an Stadträten und der jungen Einwohner-Generation.

Dass hier und da die Schlaglöcher in den Straßen nicht mehr oder viel später als gewohnt geflickt werden, werden die Bürger nur ganz langsam bemerken. Und wenn sie es bemerken, wollen sie den Zusammenhang mit dem Thema Grundsteuer nicht wahrhaben. Steuervermeidung ist schließlich Volkssport Nr. 1 in Deutschland. Jeder legt sich seine Wahrheiten eben so zurecht, wie es ihm genehm ist.


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