Dienstag, 29. Oktober 2024, Iran: Todesurteil wegen Verdorbenheit auf Erden.

Ein Deutsch-Iraner ist im Iran hingerichtet worden. Djamshid Sharmahd lebte seit langer Zeit in den USA. Bei einer Dienstreise nach Indien schlug der iranische Geheimdienst bei einem geplanten Zwischenstopp in Dubai vor vier Jahren zu, kidnappte den Staatsfeind und verbrachte ihn in den Iran. Einmal in den Fängen des Mullah-Regimes gab es für ihn kein Entrinnen mehr. Wegen Verdorbenheit auf Erden – der Tagesspiegel spricht von „Korruption auf Erden“ – wurde der Iran-Kritiker 2023 zum Tode verurteilt. Gestern wurde er gehängt. Er wurde nur 69 Jahre alt.

Deutsch-Iraner hingerichtet.

Mich wundert an dem Fall, dass mir die Sache noch nicht aufgefallen war. Ich stöbere seit Jahren jeden Tag im Netz herum, aber von dieser Geschichte hatte ich bis dato nichts gehört. Ich frage mich, was die deutsche Regierung im Vorfeld unternommen hat, um den deutschen Staatsbürger aus den iranischen Klauen zu befreien.

Und wie ich so vor mich hin recherchierte, kam ich drauf, dass wir die Sache ein wenig differenzierter betrachten sollten.

Denn Djamshid Sharmahd war in der Organisation „Kingdom Assembly of Iran“ (auch bekannt als „Tondar“ oder „Thunder“) aktiv. Diese exiliranische Oppositionsgruppe verfolgt das Ziel, das theokratische Regime im Iran zu stürzen und eine monarchistische Regierung zu errichten. Die Gruppe setzt dabei auf radikale Mittel und wurde in Verbindung mit dem Bombenanschlag auf eine Moschee in der Stadt Shiraz im Jahr 2008 gebracht. Bei diesem Anschlag starben 14 Menschen, viele weitere wurden verletzt.

Anschlag auf iranische Moschee in 2008

Die iranische Regierung beschuldigte Tondar, den Anschlag geplant und ausgeführt zu haben. Djamshid Sharmahd wurde als Drahtzieher dieser Tat dargestellt. Er selbst bestritt jedoch, aktiv an der Planung oder Ausführung des Anschlags beteiligt gewesen zu sein. Laut seiner Familie und Unterstützern war seine Rolle in der Organisation eher journalistisch und auf die Verbreitung regimekritischer Inhalte beschränkt, statt an operativen Aktivitäten teilzunehmen. Das war eine eher schwache Begründung, um sich aus der Affäre zu ziehen.

Die Organisation „Kingdom Assembly of Iran“ machte zudem widersprüchliche Aussagen zur Verantwortung für den Anschlag auf die Hosseiniyeh-Sayyed-al-Shohada-Moschee. Zunächst übernahmen Mitglieder der Gruppe teilweise die Verantwortung für den Anschlag, indem sie erklärten, dass sie solche Aktionen zur Schwächung des iranischen Regimes unterstützten. Später distanzierte sich die Organisation jedoch von einer aktiven Durchführung und behauptete, sie hätten keine direkte Verantwortung für den Angriff übernommen und sich auf propagandistische Unterstützung beschränkt.

Im Fadenkreuz des Mullah-Regimes

Djamshid Sharmahd, der in den Medien als Sprecher und Mitglied der Gruppe auftrat, erklärte, er habe nicht aktiv an der Durchführung des Anschlags teilgenommen und bestritt jede direkte Beteiligung an dem Attentat. Seine Familie und Anwälte argumentieren zudem, dass er in der Organisation nur eine mediale und ideologische Rolle eingenommen habe, und dass die iranischen Behörden die Verantwortung gezielt seiner Person zuschieben, um ihn zu diskreditieren und seine Aktivitäten gegen das iranische Regime zu unterbinden.

Warum schreibe ich das alles? Ich hätte mir erhofft, dass die deutschen Medien den Fall in genau dieser Weise – also mit mehr Hintergrund – darstellen. Tatsächlich habe ich im Netz keine detaillierten Berichte von Leitmedien gefunden. Jetzt erklärt sich vielleicht auch, warum ich von der ganzen Sache nichts mitbekommen habe. Medien und Bundesregierung schwiegen über den Fall eher als dass sie lautstark unterwegs waren. Ich werte das als ein gewisses Eingeständnis, dass die Anschuldigungen des Mullah-Regimes gegen Djamshid Sharmahd nicht zu 100% unbegründet sind.

Was die deutschen Leitmedien sagen

Was war die erste Frage, die ich mir heute bei der Betrachtung des Vorganges stellte? Warum ist der Deutsch-Iraner 2003 in die USA ausgewandert? Die einleuchtende Erklärung ist, dass Sharmahd in den Staaten mehr Freiheiten sah, gegen den Iran zu agieren, zum Beispiel mit einem Exilradiosender. Der Betrieb eines gegen den Iran gerichteten Radiosenders wäre in Deutschland sicherlich nicht möglich gewesen. Diese Lizenz hätte er im Leben nicht bekommen.

Es gab für Djamshid Sharmahd einen kleinen, aber untauglichen Rettungsanker. Das Regime selbst hatte nach dem Anschlag 2008 von einem Unfall mit gelagerter Munition gesprochen. Aber: Welches Regime gibt schon gerne zu, dass seine Sicherheitsorgane derart versagen konnten, dass es zu einem solchen Anschlag kommt. Man neigt dann schnell dazu, die Sache als Unfall darzustellen, um sein Gesicht zu wahren.

Leider ließ Tondar die Sache nicht auf sich beruhen und übernahm zumindest zum Teil die Verantwortung für den Anschlag, um sich später wieder davon zu distanzieren. Wenn Tondar in irgendeiner Weise in den Anschlag involviert war, dann hätte die Organisation Zeit ihres Lebens kein Sterbenswort darüber verlieren dürfen, um eigene Anhänger nicht in Gefahr zu bringen.

Es gab somit durchaus Gründe für Djamshid Sharmahd, ins Fadenkreuz des Mullah-Regimes zu geraten. Niemals hätte es aber zu einer Entführung und der Hinrichtung kommen dürfen. Es wäre somit dringend geboten, dass die Amerikaner endlich die Todesstrafe abschaffen, damit die westliche Welt in Sachen Hinrichtungen mit einer Stimme spricht.

Um das klarzustellen: Ich verteidige den Iran in keiner Weise. Das Land gehört weiterhin zur Achse des Bösen. Von mir aus darf das Regime auch gerne durch eine Monarchie abgelöst werden. Da hätte ich nichts dagegen. Tondar hat jedes Recht, gegen den Iran zu agieren, aber eher ohne Gewalt. Das Militärische kann man ruhig Israel überlassen. Israel geht ganz offiziell gegen seinen Hauptfeind vor. Bezüglich der gegenwärtigen militärischen Aktivitäten Israels bin ich ganz auf Staatsräson getrimmt.


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