Dienstag, 19. November 2024, Politik: Die Schwachkopf-Diskussion.

Die Freiheitsplattform X diskutierte die letzten Tage über nichts anderes als die Anzeige von Wirtschaftsminister Robert Habeck gegen einen älteren Herren, der ihn mit dem Begriff „Schwachkopf“ betitelt hat. Das Ganze sollte durch die Abwandlung von Schwarzkopf in Schwachkopf satirisch sein. Bei so etwas ist jedoch Vorsicht geboten. Habeck versteht bei Beleidigungen keinen Spaß und stellt relativ viele Strafanzeigen. Seitdem diese Sache öffentlich geworden ist, diskutiert X über den Rentner und seine Tochter mit Down-Syndrom.

Das Bittere an diesen Anzeigen ist der Umstand, dass Richter wegen solcher Delikte dazu neigen, Hausdurchsuchungen anzuordnen. Die durchführende Truppe wiederum kann es dann kaum erwarten und taucht schon mal früh um 0600 an der Haustür des zu durchsuchenden Objektes auf. Warum passieren die Hausdurchsuchungen in aller Herrgottsfrühe, wo man diese doch auch zu einer christlicheren Zeit durchführen könnte? Es gibt ein paar Begründungen, die aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden sinnvoll erscheinen, weil man zum Beispiel früh um 0600 eher anzutreffen ist als um 1000. Für die Betroffenen ist diese frühe Zeit aber äußerst ungünstig.

Hausdurchsuchungen in aller Herrgottsfrühe. Muss das sein?

Mehrere Dinge sehe ich ab diesem Moment – wenn es an der Tür klingelt – kritisch. Es besteht die Gefahr, dass die Tür mit einer Ramme geöffnet wird, wenn man nach dem Klingeln die Tür nicht schnell genug öffnet. Niemand weiß genau, wieviele Sekunden man Zeit hat, zur Eingangstür zu sprinten. Für die Morgentoilette ist ganz sicher keine Zeit. Es steht somit zu befürchten, dass man im Schlafanzug zur Tür springt, um seine Eingangstür zu retten. Nur Gott weiß, ob man sich während der Hausdurchsuchung anziehen darf oder man der Durchsuchungsprozedur im Schlafanzug strammstehend beiwohnen muss, weil man Beweise verstecken oder vernichten könnte.

Und dann stellt sich die Frage, welche Kommunikationsmittel beschlagnahmt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich einen Polizisten davon überzeugen kann, dass der DSL-Router keine relevanten Daten speichert, wenn der Polizist der Meinung ist, dass Gerät beschlagnahmen zu müssen. Und wenn er das Tablet sieht, dann wird es wahrscheinlich nicht helfen, wenn ich ihm sage, dass das Gerät meiner Frau gehört und ich nicht einmal das Passwort kenne. Wenn es um mein iPhone geht, dann brauche ich es zwingend für die Arbeit, ebenso den dienstlichen Laptop. Ich bezweifle, dass das eine Rolle spielt. Das bedeutet, dass ich als Ergebnis der Hausdurchsuchung nicht mehr arbeitsfähig bin. Ich darf dann bei der Firma vorsprechen und mit einem unguten Gefühl die Sache erklären. Und dann frage ich mich, ob die gesetzlich vorgegebene Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde. Und die Strafverfolgungsbehörden haben es dem Vernehmen nach nicht besonders eilig, das Equipment wieder herauszurücken.

Die Beschlagnahmung von Kommunikationsmitteln ist bitter.

Ein vollumfängliches Schuldeingeständnis am Anfang der Durchsuchung hilft vermutlich auch nichts. Es schleicht sich dann eine gewisse Machtlosigkeit ein, die sich automatisch in Frust verwandelt. Folglich bin ich der Meinung, dass der Staat beim Einsatz seiner Machtinstrumente nicht überziehen sollte, weil das zu Staatsverdrossenheit führt.

Mittlerweile gibt es KI-gestützte Tools, die Beleidigungen aus dem Netz filtern. Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) ist Kunde der Firma ‚So Done GmbH‘. Die Firma hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu schützen, die im Internet massiv angefeindet werden. Eine der Gründerinnen ist Franziska Brandmann, die Vorsitzende der Jungen Liberalen. Die Firma hat dementiert, in den Schwachkopf-Vorgang involviert zu sein.

Vor diesem Hintergrund sehe ich sämtliche Fernsehdiskussionen zwischen Politikern verschiedener Parteien kritisch. Sie streiten vor der Kamera erbittert. Nach der Sendung geht man aber vermutlich noch gemeinsam zum Dinner. Ein Indiz dafür ist es, wenn sich der SPD-Juso Philipp Türmer und die Chefin der Jungen Liberalen vor der Kamera duzen.

Im Grundsatz ist der Schutz von massiv beleidigten Menschen ein heere Aufgabe. Das kleine Wörtchen „massiv“ macht die Sache aber unübersichtlich. Was ist an persönlichen Angriffen akzeptabel und noch gesetzeskonform, und wo beginnt die nicht mehr hinnehmbare Massivität? Wer legt fest, wo Satire beginnt, in Zynismus übergeht und am Ende in Beleidigungen mündet? Richtig, ein Gericht. Und vor Gericht wiederum muss man mit einem Anwalt erscheinen. Es wird also teuer.


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