Australien hat ein relativ bahnbrechendes Gesetz verabschiedet. Kinder unter 16 Jahren wird die Nutzung von Social-Media-Plattformen wie X (vormals Twitter), Facebook, TikTok und Snapchat untersagt. Das Gesetz verpflichtet die betroffenen Plattformen, innerhalb eines Jahres geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung dieser Altersgrenze sicherzustellen. Bei Nichteinhaltung drohen den Unternehmen Geldstrafen von bis zu 50 Millionen australischen Dollar (ca. 33 Millionen US-Dollar).
Ein zentrales Element des Gesetzes ist die Einführung von Altersverifikationssystemen. Allerdings ist es den Plattformen untersagt, von den Nutzern die Vorlage von amtlichen Ausweisdokumenten zu verlangen, um die Privatsphäre zu schützen. Stattdessen müssen alternative Methoden zur Altersüberprüfung entwickelt werden. Die genaue technische Umsetzung dieser Verifikationssysteme bleibt jedoch noch unklar, und es wird erwartet, dass die betroffenen Unternehmen in den kommenden Monaten entsprechende Lösungen präsentieren.
Das Verbot soll keine Auswirkungen auf Messaging-Apps, Gaming-Plattformen oder YouTube haben. Diese Dienste sind von der Regelung ausgenommen. Zudem sieht das Gesetz keine Strafen für Eltern oder Kinder vor, die gegen das Verbot verstoßen. Die Verantwortung für die Einhaltung liegt ausschließlich bei den Social-Media-Unternehmen.
Eltern wird die Verantwortung genommen.
Die Einführung dieses Gesetzes wird von einer breiten Mehrheit von bis zu 77%der australischen Bevölkerung unterstützt. Befürworter argumentieren, dass das Verbot notwendig ist, um Kinder und Jugendliche vor den negativen Auswirkungen sozialer Medien auf die psychische Gesundheit zu schützen.
Tatsächlich gibt es aber auch Kritiker. Deren Argument, dass vulnerable Kinder, insbesondere in ländlichen Gebieten und in der LGBTQI-Community, isoliert werden könnten, ist mir zu hoch.
Beschränken wir uns auf die technischen Möglichkeiten, die die Sozialen Plattformen anwenden könnten, um den Jugendschutz sicherzustellen. Bei Mobiltelefonen, Tablets und Laptops sehe ich keine Probleme. Face-ID macht es möglich. Alle, die 16 Jahre und älter sind, müssen sich per Gesichtserkennung anmelden. Dazu muss die Kamera der Geräte immer an sein. Aller zehn Sekunden „schießt“ die Kamera ein Bild und checkt, ob immer noch der in den Bildschirm schaut, der sich angemeldet hat. Ein konstant angeschaltete Kamera hielte ich für übertrieben. Mich durchgehend von facebook per Kamera beobachtet zu fühlen, ginge zu weit. Aber aller zehn Sekunden eine Aufnahme, die nicht länger als eine Hundertstel Sekunde dauert – das halte ich für akzeptabel. Die Face-ID-Funktionalität wird schließlich durch Milliarden von Menschen als selbstverständlich akzeptiert.
Was machen Desktop-Benutzer, die einen Bildschirm ohne Kamera nutzen? Sie müssen sich halt eine Kamera auf den Bildschirm klemmen oder auf soziale Medien verzichten.
Ohne Kamera und KI geht nichts.
Aber wie könnte eine initiale Anmeldung ohne Ausweisdokumente funktionieren? Diesbezüglich bin ich noch etwas ratlos. Nicht einmal KI dürfte es schaffen, mit einer Gesichtserkennung und anhand biometrischer Merkmale festzustellen, ob die Person, die in die Kamera schaut, 15 3/4 oder 16 Jahre alt ist. Dennoch wird KI eine Rolle spielen. Die KI muss beispielsweise erkennen können, ob ein echtes Gesicht in die Kamera schaut und ein Kind nicht etwa das Video oder das Bild seiner Mama in die Kamera hält. Es wird den Betreibern von Facebook, X und Co. aber schwerfallen, die Technologien sattelfest gegen sämtliche Tricksereien auszurichten. Somit ist es kein Wunder, dass die Betreiber um Verschiebung um ein Jahr gebeten haben.
Es gibt bereits spezielle Software wie Yoti, die „relativ genau“ das Alter eines Menschen bestimmen können, mehr aber auch nicht. Die Entwicklung wird aber rasant voranschreiten. Frankreich, Großbritannien und auch die USA wollen in die gleiche Richtung wie Australien gehen. Die Sache wird Fahrt aufnehmen. Spezialisierte Unternehmen wittern ihre Chance.
Ich verstehe jedoch nicht, warum die Australier die Nutzung von Ausweisdokumenten ausschließen. Denn mit einem Ausweis-Ident-Verfahren in Kombination mit dem Lichtbild und dem eigenen Gesicht wäre die Sache ein Kinderspiel.
Mit einem Ausweis-Check wäre es einfach.
Die soziale Komponente lässt Australien komplett außen vor: Die Verantwortung der Eltern für das Nutzungsverhalten ihrer Kinder. Man nimmt den Eltern die Verantwortung ab und ersetzt diese Verantwortung durch technische Tools. Das ist ein fatales Signal. Weder Jugendliche noch Eltern sollen durch das Gesetz sanktioniert werden. Die Eltern wissen sicherlich nicht, was ein VPN-Tunnel ist. Die 13-jährigen australischen Teenies wissen dagegen aber ganz genau, wie man durch VPN-Tunnel Australien datentechnisch verlassen kann, um dann über europäische Internetzugänge die Sozialen Medien zu betreten.
In diese Richtung argumentierte auch der australische Premierminister: „Wir wissen, dass einige Kinder Wege finden werden, sie (die Altersschranke) zu umgehen, aber wir senden eine Botschaft an die Social-Media-Unternehmen, ihr Verhalten zu ändern.“
Auf meine Einlassungen, soziale Medien grundsätzlich kostenpflichtig zu machen, verzichtet die Welt. Für Privatnutzer müssen die Kosten moderat sein (1 Euro pro Monat). Für gewerbliche User und politische Akteure muss es dagegen richtig teuer werden – sozusagen, um sie final abzuwehren. Dann würden die sozialen Medien wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren. Sozialer Austausch privater User – ohne Werbung, ohne Bots. Hass und Hetze würden in den Hintergrund treten. Aber: Auf mich hört ja niemand.
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