Sonntag, 01. Dezember 2024, Politik: Aufenthaltsverbot für Nürtingen

Ich wusste gar nicht, dass eine Stadt einem Besucher für das gesamte eigene Stadtgebiet ein Betretungsverbot aussprechen darf. Ich könnte nichtsahnend mit dem Zug nach Mühldorf fahren, wo mich die Polizei in Empfang nimmt, die mir dann einen Brief überreicht, aus dem ein Betretungsverbot für einen oder mehrere Tage hervorgeht? Das deutsche Recht gibt das gemäß Grundgesetz her.

Paragraphen unterstützen Meinungs- und Bewegungsfreiheit, zunächst.

Artikel 8

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Kommentar: Sehr gut, das finde ich prima. Dann kann ja nichts passieren.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Kommentar: Klingt schon nicht mehr so erbaulich. Drinnen darf ich mich freizügig mit jedermann versammeln, aber draußen nicht? Wo ist der Sinn der Sache?

Artikel 11

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

Kommentar: Danke, ich bin höchst zufrieden.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

Kommentar: Das gefällt mir jetzt weniger. Eine Versammlung von Identitären im beschaulichen Nürtingen ist eine drohende Gefahr für den Bestand des Bundes? Etwas weit hergeholt, oder?

Reconquista 21 – wer oder was ist das denn?

Wenn aber in der Politik und beim Verfassungsschutz tatsächlich die Meinung existiert, von einer Versammlung in Nürtingen könnte Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland ausgehen, dann verstehe ich jetzt auch, warum man ganz scharf darauf ist, die Sozialen Medien zu regulieren.

Die mir bis gerade eben unbekannte Gruppe „Reconquista 21“ wollte sich in Nürtingen bei irgendeinem Wirt treffen. Reconquista heißt so viel wie Rückeroberung. Klingt martialisch. Die Gruppe fordert eine Remigration und ist nicht verboten. Die Frage lautet somit, warum sich die Mitglieder nicht treffen dürfen. Der Staat mit seinem Machtapparat hat diese Versammlung dennoch verhindert. Hätte es nicht gereicht, den Versammlungsort polizeilich zu umzingeln, um unseren Gastredner am Reden zu hindern? Ich stelle mir gerade die Sicherstellung des Betretungsverbotes in Berlin vor.

Man holt abgedriftete Menschen sicherlich nicht in die Mitte der Gesellschaft zurück, wenn man sie schikaniert. Aus meiner Sicht führt das nur zu einer unnötigen Radikalisierung.

Paul Klemm kannte ich bis gerade nicht. Er war/ist Journalist bei compact, bis das Innenministerium das compact-Magazin verbot, bzw. versuchte, es zu verbieten. Die Gerichte spielten nicht ganz mit. Das Verbot liegt auf Eis. Seine Anstellung hatte Klemm zwischenzeitlich dennoch verloren.

Paul Klemm gibt sich sarkastisch.

Ich erinnere mich jetzt auch wieder an den Namen Elsässer, samt Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme des gesamten Studio-Equipments. Ich verstehe nicht, dass die Polizei ein ganzes Studio ausräumt, Büromöbel eingeschlossen und in zwei LKW abtransportiert. Es hätte auch genügt, einfach das Schloss des Sendestudios auszutauschen und die Räume bis zu einer finalen Gerichtsentscheidung zu verplomben. Es musste aber unbedingt die ganze Bandbreite an Maßnahmen nach dem Motto sein: Bestrafe Einen, erziehe Hundert.

Ich frage mich nur gerade, wie die Stadt Nürtingen reagiert hätte, wenn Paul Klemm zufällig Nürtinger wäre. Hätte Nürtingen mit Paul Klemm tatsächlich seinen eigenen Bürger für das ganze Wochenende in die Diaspora „verbannt“, damit er an einer Veranstaltung in der eigenen Stadt nicht teilnehmen darf? Das klingt absurd bis unmöglich. Was wären dann die Mittel der Wahl gewesen? Ausgangsverbot?

Ich beschäftige mich mit einem Thema, was mich bisher nur gestreift hat. Der Staat erreicht mit seinem Vorgehen das Gegenteil, von dem was er eigentlich erreichen möchte: Anstatt compact, Reconquista21 und Co. leise von der Bildfläche verschwinden zu lassen, spricht man nun darüber.

Man nennt es den… Streisandeffekt.


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