Tatsächlich dachte ich sofort an Satire. Die SZ tritt sehr mit unterschwelligem Humor und feinfühliger Satire aus. Das ist auch der Grund, warum ich mich an einem nicht gerade billigen SZ-Abo beteilige.
Redakteur Christian Zaschke betont in seinem Kommentar zum Thema aber bereits in der Überschrift, dass er es überhaupt nicht sarkastisch meint und leitet seinen Text damit ein, dass seine folgenden Zeilen überhaupt keine Spuren von Sarkasmus enthalten.
Tatsächlich weckte er mein Interesse. Schon beim Eingangsbild wird es interessant, denn plötzlich würde es für VW wieder laufen. Deutschland würde ein paar Dinge geregelt kriegen, z.B. in der Politik, im Städtebau, in der Wirtschaft, allüberall. Er könne sich somit nur schwer vorstellen, dass die Welt, oder zumindest ein großer Teil davon, derzeit nicht neidisch auf die Bundesrepublik schaut.
Ach, das versprach jetzt aber einmal ein wirklich interessantes Leseerlebnis.
Union und SPD hätten sich in vergleichsweise kurzer Zeit auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, trotz Söder, wie er hinzufügt.
Also doch eine Spur von Sarkasmus?
Lesen wir weiter. Der Vertrag sei solide austariert. Ich habe aus Zeitgründen keine Zeile gelesen, aber jetzt war es dann doch so weit. Ich wollte wissen, wie oft im Koalitionsvertrag das Wort „wollen“ vorkommt. Antwort: 485. „Werden“ wäre im linken Fünfjahresplan vielleicht ab und an zielführender gewesen.
Die Streitereien innerhalb der Koalition sind vorprogrammiert. Die SPD als 16%-Partei wirkt in diesem Konstrukt zu stark. Nichts gegen einen starken Koalitionspartner – wenn er denn die richtigen Ideen hat. Aber die SPD kommt schon wieder mit einem noch höheren Mindestlohn daher. Aus dem Gebaren der SPD wächst kein Optimismus.
Aber genau in diesem Geiste ist der Kommentar von Christian Zaschke geschrieben. Die Deutschen als ewige Pessimisten und Murrer. Deutschland habe jetzt die Chance, die Probleme im Inneren entschlossen anzugehen. Entschlossenheit in Deutschland? Davon habe ich noch nie gehört. Deutschland als gestaltende Kraft im globalen Westen? Ich wüsste nicht, wie das funktionieren könnte. Und dann war er doch wieder da. der Sarkasmus. Es möge wie ein Wunschtraum erscheinen, denn der Mann, der diese anleiten müsse, sei Friedrich Merz. Aber es wäre ja ohne hin alternativlos, da könnten wir ruhig einmal mit Optimismus reagieren.
Optimismus trotz Merz, also doch Sarkasmus
Und überhaupt hätten wir viele Gründe, an uns zu glauben, stolz und froh zu sein, dass Deutschland inmitten der Wirren der Welt ein Hafen für eine wertebasierte Demokratie der Vernünftigen sei. Ein superschöner Satz. Ich weiß nicht, wer um mich herum stolz auf was auch immer ist. Einen allgemeinen deutschen Stolz gibt es nicht. Nicht auf unsere Bürokratie, nicht auf unsere Geschichte, nicht auf unseren Sozialstaat, nicht auf das Gesundheitswesen, nicht auf eine marode Infrastruktur, nicht auf die Inflation, nicht auf die Bundesbahn. Die überfüllten Züge sowohl am Karfreitag als auch am Ostermontag waren grenzwertig. Da hieß es: Luft anhalten und Ruhe bewahren. Besonders heftig ging es auf den Strecken Würzburg-Nürnberg und Nürnberg-Landshut zu. Tatsächlich mussten wir am Freitag in Nürnberg den für die Fahrt nach Würzburg bereitstehenden Zug wieder verlassen. Er war so überfüllt, dass uns per Durchsage mitgeteilt wurde, dass der Zug aus Sicherheitsgründen nicht losfahren wird, wenn nicht Menschen aussteigen, damit die Gänge frei sind. Wir hatten keinen Zeitdruck und nahmen den nächsten Zug. Wer sich für die Bahn statt Auto entscheidet, muss auch ein wenig leiden können.
Die Bahn steckt in den bekannten Zwängen. Der Takt kann nicht einfach verdichtet werden. Die Anzahl der Zugführer ist begrenzt. Mit dem Deutschland-Ticket sind Investitionen aus meiner Sicht nicht möglich. Es gibt zu viele Leistungsverwalter und zu wenig Leistungserbringer. Typisch Deutschland.
Nein, Stolz ist nicht da.
Es muss in Deutschland viel verändert werden, um diesen in uns schlummernden Stolz an die Oberfläche zu heben. Momentan sind wir davon weit weg. Sonst könnte es ja nicht sein, dass die AfD bei einer neuen Umfrage stärkste politische Kraft in Deutschland ist.
Wenn man dann noch überlegt, wer von der SPD und den Grünen weiterhin im Bundestag sitzt, obwohl die letzten drei Jahre Ampel-Koalition wirklich ein totaler Reinfall waren, dann können Optimismus und Stolz aufkommen.
Aber ich persönlich bin in der Tat auf einige Dinge stolz. Das ist aber privater Stolz. Ich bin mir nicht sicher, ob das unserem Land weiterhilft.
Insgesamt hat mir der SZ-Artikel aber wieder gefallen. Sarkasmus war vielleicht in der Tat nicht zu erkennen, aber die gewohnte unterschwellige Satire.
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