Sonntag, 02. März 2025, Ukrainekrieg: Trump und Putin, zwei fragwürdige Zeitgenossen.

Das Netz reagiert hämisch. Und leider reagieren auch Plattformen wie Tichys Einblick auf die Ereignisse im Weißen Haus äußerst seltsam. Trump und Vance hatten den ukrainischen Präsidenten in die Mangel genommen und wie einen Schulbuben behandelt, weil Selenski für einen wie auch immer gearteten „Deal“ nur akzeptieren wollte, wenn die Ukraine Sicherheitsgarantien bekommt. Der aufkommende Hass gegen die Ukraine ist nur schwer zu ertragen.

Die Frage nach den Sicherheitsgarantien ist begründet. Schauen wir uns die historischen „Sonderoperationen“ Putins doch einmal näher und chronologisch an:

Die Zerstörung von Grosny (1999–2000)

Die Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny während des Zweiten Tschetschenienkriegs (1999–2000) ist eines der schwersten Kriegsverbrechen, das mit Wladimir Putin in Verbindung gebracht wird. Als Putin 1999 als Premierminister und später als Präsident Russlands die Macht übernahm, führte er eine brutale Militärkampagne gegen die tschetschenischen Separatisten. Ab 09/1999 begann die russische Armee mit massiven Luft- und Artillerieangriffen auf Grosny. Dabei wurden Wohngebiete, Krankenhäuser und zivile Infrastruktur gezielt oder wahllos bombardiert. Russische Streitkräfte forderten in 12/1999 die Zivilbevölkerung auf, die Stadt zu verlassen, doch viele Menschen hatten keine Möglichkeit zur Flucht. Wer blieb, wurde systematisch beschossen.

Nach monatelanger Bombardierung im Januar und Februar 2000 rückten russische Bodentruppen in Grosny ein und eroberten die Stadt. Dies geschah mit brutaler Gewalt, wobei 20.000 bis 50.000 Zivilisten getötet wurden. Russische Soldaten wurden beschuldigt, Massaker an der Zivilbevölkerung begangen zu haben, einschließlich Folter, Massenhinrichtungen und Vergewaltigungen. Grosny wurde fast dem Erdboden gleichgemacht, mit über 80% zerstörten Gebäuden. Die Stadt war unbewohnbar. Hunderttausende Tschetschenen flohen aus der Stadt, viele wurden in Flüchtlingslagern untergebracht oder blieben obdachlos. Die Vereinten Nationen brauchten bis 2003, um die Stadt als „zerstörteste Stadt der Welt“ zu bezeichnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilte Russland später wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, was Putin zutiefst beeindruckte, nämlich gar nicht. Denn es gab für ihn keine ernsthaften Sanktionen oder Konsequenzen. Der Westen tolerierte die russische Aggression weitgehend.

Der Russland-Georgien-Krieg (2008)

Der Krieg Russlands gegen Georgien im August 2008 war ein kurzer, aber folgenschwerer Konflikt im Kaukasus, der die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen verschärfte, aber eben nur verbal. Der Krieg dauerte nur fünf Tage. Die Spannungen zwischen Russland und Georgien reichen bis in die 1990er Jahre zurück. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 erklärte Georgien seine Unabhängigkeit, doch die abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien wollten sich von Georgien lösen. Sie wurden von Russland unterstützt, während Georgien sie als integrale Bestandteile seines Staatsgebiets betrachtete. Unter Präsident Micheil Saakaschwili, der 2004 an die Macht kam, strebte Georgien eine enge Anbindung an den Westen an, insbesondere an die NATO und die EU. Dies verschärfte die Spannungen mit Russland, das die NATO-Osterweiterung als Bedrohung ansah.

2008 bot die NATO Georgien eine Beitrittsperspektive, was Russland als Provokation empfand. Am 7. August 2008 startete Georgien eine Militäroffensive gegen Südossetien, um die Kontrolle über die Region zurückzugewinnen. Dies führte zu einem schnellen Gegenangriff Russlands, das seine Truppen nach Südossetien und später auch nach Abchasien entsandte. Innerhalb weniger Tage rückten russische Streitkräfte tief in Georgien vor und bombardierten strategische Ziele. Georgien konnte der russischen Übermacht nicht standhalten und musste sich nach fünf Tagen zurückziehen. Am 12. August 2008 vermittelte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy einen Waffenstillstand. Russland erkannte die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien an und stationierte dort dauerhaft Truppen. Der Krieg zeigte, dass Russland bereit war und immer noch ist, militärische Gewalt einzusetzen, um seine Interessen im postsowjetischen Raum zu verteidigen. Die georgische Regierung wurde destabilisiert, und Saakaschwili musste 2013 ins Exil gehen.

Annexion der Krim (2014)

Die Annexion der Krim durch Russland markierte den Beginn der schwersten Krise zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg. Putin war wiederum schwer beeindruckt und lächelte im Kreml still in sich hinein. Die Besetzung der Krim erklärte Putin ganz einfach mit der Historie. Die Krim wäre ja schon immer russisch gewesen. Es tun sich bedrückende Parallelen zu Trump auf, der beim Panamakanal, Grönland und Kanada ähnliche Wahnvorstellungen hat.

Ich weiß gar nicht, ob es Trump bekannt ist: Auch Alaska gehörte einmal zu Russland. Die Krim hat in der Tat eine lange und komplexe Geschichte. Sie war ursprünglich Teil des Russischen Reiches, wurde aber 1954 von der Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow an die Ukraine übergeben. Chruschtschow war der, der 1960 bei einer Sitzung der Vereinten Nationen (UNO) mit seinem Schuh auf das Rednerpult schlug. Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 blieb die Krim ein Teil der unabhängigen Ukraine, hatte jedoch den Status einer autonomen Republik mit eigener Regierung und großer russischer Bevölkerungsmehrheit (ca. 60 %).

Ende 2013 begannen in der Ukraine Massenproteste (Euromaidan) gegen den prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, nachdem dieser ein Assoziierungsabkommen mit der EU abgelehnt hatte. Im Februar 2014 wurde Janukowitsch gestürzt, und eine prowestliche Übergangsregierung übernahm die Macht. Russland sah darin einen „illegalen Putsch“ und fürchtete den Verlust seines Einflusses in der Ukraine. Denn auf der Krim befindet sich der russische Marinehafen Sewastopol, ein wichtiger Stützpunkt für die Schwarzmeerflotte. Moskau befürchtete, dass die neue ukrainische Regierung diesen an die NATO übergeben könnte. Der Kreml behauptete, die russischsprachige Bevölkerung auf der Krim sei durch die neue ukrainische Regierung bedroht. Diese Darstellung wurde als Vorwand für militärische Maßnahmen genutzt.

Im Februar 2014 besetzten russische Spezialkräfte ohne Hoheitszeichen – später als „grüne Männchen“ bekannt – strategische Einrichtungen auf der Krim, darunter das Parlament in Simferopol und ukrainische Militärstützpunkte. Unter russischer Kontrolle organisierte die neue pro-russische Regierung der Krim in 03/2014 ein umstrittenes Referendum über den Beitritt zu Russland. Laut offiziellen Angaben stimmen über 96% für den Anschluss, doch das Referendum wurde international als völkerrechtswidrig betrachtet, weil es unter militärischer Besatzung stattfand. Putin war von den westlichen Reaktion wiederum schwer beeindruckt, nämlich gar nicht. Am 18.03.2014 unterzeichnete Russland den Vertrag zur Eingliederung der Krim in die Russische Föderation. Der Ukraine-Konflikt eskalierte weiter, als prorussische Separatisten in der Ostukraine (Donezk und Luhansk) bewaffnete Aufstände begannen. Die Annexion der Krim war ein kalkulierter geopolitischer Schritt Russlands.

In der Pro-Trump-Welt regiert scheinbar das Vergessen.

Wir müssen den immer mehr werdenden Pazifisten – inklusive Trump und Vance – wohl den Zahn ziehen, was deren Pläne rund um einen „Deal“ betreffen. Lassen wir Chatgpt doch einige Beispiele zusammensuchen, die belegen, was es bedeutet, mit Putin einen „Deal“ abschließen zu wollen.

Juri Schtschekotschichin (2003)
  • Beruf: Journalist und Duma-Abgeordneter, untersuchte Korruption.
  • Todesursache: Mysteriöse Vergiftung.
  • Verdacht: Symptome deuten auf Vergiftung mit einer radioaktiven Substanz hin.
Pawel Klebnikow (2004)
  • Beruf: Chefredakteur von „Forbes Russia“.
  • Todesursache: In Moskau erschossen.
  • Verdacht: Er recherchierte über Korruption in russischen Eliten.
Alexander Litwinenko (2006)
  • Beruf: Ex-FSB-Agent, Asyl in Großbritannien.
  • Todesursache: Vergiftet mit Polonium-210 in London.
  • Verdacht: Eine britische Untersuchung ergab, dass sein Mord „höchstwahrscheinlich“ von Putin genehmigt wurde.
Anna Politkowskaja (2006)
  • Beruf: Investigativjournalistin der „Nowaja Gaseta“, Kritikerin von Putins Politik in Tschetschenien.
  • Todesursache: Erschossen in ihrem Wohnhaus in Moskau am 7. Oktober 2006 (Putins Geburtstag).
  • Verdacht: Auftraggeber unbekannt, aber es wird vermutet, dass ihr Mord mit Kreml-nahen Strukturen in Verbindung steht.
Boris Beresowski (2013)
  • Beruf: Oligarch, Ex-Putin-Verbündeter, lebte im Exil in Großbritannien.
  • Todesursache: Offiziell „Selbstmord“ durch Erhängen, aber Zweifel an dieser Version.
  • Verdacht: Könnte wegen seiner Kritik an Putin ermordet worden sein.
Boris Nemzow (2015)
  • Beruf: Oppositionsführer und ehemaliger Vizepremierminister.
  • Todesursache: Erschossen in der Nähe des Kremls.
  • Verdacht: Viele glauben, dass der Mord auf direkte oder indirekte Anweisung des Kremls geschah.
Michail Lesin (2015)
  • Beruf: Ex-Pressesprecher des Kremls.
  • Todesursache: Starb in einem Hotelzimmer in Washington D.C. an „stumpfer Gewalt gegen den Kopf“.
  • Verdacht: Mögliche Vergeltung wegen interner Konflikte mit Putin-nahen Kreisen.
Wladimir Kara-Mursa (Vergiftungen 2015 und 2017)
  • Beruf: Oppositionspolitiker, Journalist.
  • Todesursache: Überlebte zwei schwere Vergiftungen.
  • Verdacht: Kreml-kritische Haltung als mögliches Motiv.
Denis Woronenkow (2017)
  • Beruf: Ex-Duma-Abgeordneter, Putin-Kritiker.
  • Todesursache: In Kiew erschossen.
  • Verdacht: Mögliche Beteiligung russischer Geheimdienste.
Nikolai Gluschkow (2018)
  • Beruf: Ex-Oligarch, im britischen Exil.
  • Todesursache: Stranguliert in London.
  • Verdacht: Britische Ermittler betrachten es als Mord.
Sergei Skripal (2018)
  • Beruf: Ex-Russischer Spion, arbeitete für den MI6.
  • Todesursache: Überlebte einen Nowitschok-Nervengiftanschlag in Salisbury, England.
  • Verdacht: Westliche Geheimdienste machten russische Agenten für den Anschlag verantwortlich.
Alexei Nawalny (Vergiftung 2020, Tod 2024)
  • Beruf: Oppositionspolitiker und Putin-Kritiker.
  • Todesursache: 2020 Vergiftung mit Nowitschok, überlebte nach Behandlung in Deutschland.
  • Tod: 2024 im russischen Straflager gestorben.
  • Verdacht: Westliche Regierungen machen den Kreml verantwortlich.
Michail Chodorkowski (2003–2013)
  • Beruf: Oligarch, ehemals reichster Mann Russlands, Chef von Jukos.
  • Vergehen (laut Kreml): Steuerhinterziehung und Betrug.
  • Hintergrund: Chodorkowski finanzierte oppositionelle Parteien und kritisierte Putin öffentlich.
  • Verlauf:
    • 2003 verhaftet, 2005 verurteilt.
    • Straflager bis 2013, dann Begnadigung auf internationalen Druck.
    • Lebt seitdem im Exil und ist weiterhin Putin-Kritiker.
Wladimir Kara-Mursa (2015, 2017, 2022)
  • Beruf: Oppositioneller, Journalist, Kritiker des Kremls.
  • Tötungsversuche:
    • 2015 und 2017 zweimal mit Gift attackiert, überlebte knapp.
    • Symptome ähneln Vergiftungen mit Nervengiften wie bei Nawalny.
  • 2022 Verhaftung, 2023 zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Ilja Jaschin (2022)
  • Beruf: Oppositioneller Politiker.
  • Vergehen (laut Kreml): Verbreitung von „Fake News“ über die russische Armee (wegen Kritik am Ukraine-Krieg).
  • Verlauf:
    • 2022 verhaftet, acht Jahre Haft.
    • Trotz Haft bleibt er ein lautstarker Kritiker Putins.
Dmitri Muratow (2021–2023)
  • Beruf: Journalist, Nobelpreisträger, Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“.
  • Strafe: 2023 als „ausländischer Agent“ eingestuft, Zeitung wurde geschlossen.
  • Hintergrund: Berichte über Korruption, Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Sergei Skripal (2018)
  • Beruf: Ex-Doppelagent für den MI6.
  • Vergehen (laut Kreml): Verrat an Russland.
  • Attentat:
    • Mit Nowitschok in Salisbury (England) vergiftet.
    • Überlebte knapp mit seiner Tochter.
    • Westliche Regierungen machten den russischen Geheimdienst GRU verantwortlich.
Pjotr Wersilow (2018)
  • Beruf: Aktivist, Mitglied der Punkband Pussy Riot.
  • Attentat:
    • Plötzliche Vergiftung nach Kritik am russischen Geheimdienst.
    • Überlebte nach Behandlung in Deutschland.
Dmitri Bykow (2019)
  • Beruf: Schriftsteller, Putin-Kritiker.
  • Attentat:
    • Plötzliche Vergiftung mit Nervengift.
    • Überlebte nach intensiver medizinischer Behandlung.
Wladislaw Schurawljow (2023)
  • Beruf: Journalist.
  • Attentat:
    • Wurde 2023 schwer vergiftet, überlebte knapp.
    • Hatte über Korruption und Missstände in der russischen Regierung berichtet.
Fazit

Ein „Deal“ scheint mir fehl am Platze, ein wie auch immer geplanter Frieden in des Wortes buchstäblicher Bedeutung vergiftet zu sein. Die Vorstellung, dass Trump und Putin in dieser Welt gemeinsam das Kommando übernehmen, ist beängstigend. Ich hoffe, dass „Deal“ das Unwort des Jahres 2025 wird.


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