
Als ich im Mitte Dezember von der Pleite hörte, dass bei einer Wehrübung alle 18 beteiligten Puma-Panzer ausgefallen waren, dachte ich mir: Warten wir doch einmal die Details ab, bevor wir in den Chor der Spötter einstimmen.
Zunächst bleibt festzustellen, dass zwanzig Jahre Entwicklung nicht ausgereicht haben, der Bundeswehr einen kriegstauglichen Panzer zur Verfügung zu stellen, der den fünfzig Jahre alten Marder ablösen soll. Woran ist die Sache gescheitert? Der Schlüssel für die Antwort liegt unter anderem beim Bundeswehrbeschaffungsamt mit Sitz in Koblenz. 8.500 Bedienstete arbeiteten 2012 in dem Amt. Viel zu wenig, um Projekte erfolgreich zu stemmen. Mittlerweile sind es 11.000 an 116 Dienstsitzen, die wieviel Leitz-Ordner in den Schränken stehen haben?
Ich kann mir den Prozess, wie das Amt seine Anforderungen an den neuen Panzer definiert, gut vorstellen. Treibstoffverbrauch. Gewicht, Lärmbelastung – das scheinen mir noch einigermaßen sinnvolle Überlegungen zu sein. Inwieweit Feinstaubbelastung im Krieg noch eine Rolle spielt? Nun, hier kann man immer noch argumentieren, dass in Friedenszeiten mit dem Gerät geübt werden muss.
Verrückt wird es dann, wenn ein Panzer so zu konzipieren ist, dass auch Schwangere zur Panzerbesatzung gehören dürfen müssen. Das Netz macht sich derweil lustig über Details wie abgelaufene ASU-Plaketten oder Regeln für Bildschirmarbeitsplätze, die auch in den Panzern anzuwenden sind. Bei Heise-Online finden sich 100 Kommentare, viele davon sehr versiert.
Das Netz ist belustigt.
Derweil fehlt immer noch ein konkreter Schadensbericht, der den Zustand der Puma-Panzer beschreibt. Das wäre auch für unsere militärischen Gegner interessant. Aus Fairness-Gründen würden sie mit ihrem Angriff sicherlich noch so lange warten, bis Deutschland „bereit“ ist.
Und überhaupt sollte der militärische Gegner einmal den Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr studieren, der ihm das Fürchten lehrt. Laut FAZ besitze man jetzt acht Hackschnitzelheizungen und der Verbrauch von Formularen und Schreibpapier sei auf 1.200 Seiten reduziert worden – pro Kopf. Ich rechne kurz nach, wieviele Leitz-Ordner das sind. Also das macht 4.114 neue Leitzordner (je 350 Blätter). Bei 8cm Breite für jeden Ordner füllen die im letzten Jahr hinzugekommenen Ordner ein Regal mit 329m Länge. Das auf die letzten zehn Jahre hochgerechnet und aufgerundet, ergibt einen Leitz-Ordner-Bestand von mindestens 4km Länge. Ich liebe Leitz-Ordner. Auch nicht unwichtig: Im Bendler-Block besitze man nun sechs Dienstfahrräder.
Leider ist der aktuelle 65-seitige Bericht noch nicht im Netz auffindbar. Aber den Bericht von 2020 über den Berichtszeitraum 2018-2019 kann man sich ersatzweise anschauen.
Einsatzfähigkeit des Pumas unter aller Kanone
Kommen wir noch schnell zur finanziellen Seite. 350 Panzer zum Stückpreis von 17 Mio Euro bestellte die Bundesregierung vor zwanzig Jahren, die die Bundeswehr jetzt auch besitzt. Im April 2022 erklärte Oma Lampe, dass nur 150 davon einsatzbereit sind. Seit dem 18. Dezember wissen wir, dass es nun nur noch 132 sein können. Hier überschneiden sich zeitlich ein paar Dinge in einer unschönen Art. Laut Fokus gab der Haushaltsausschuss des Bundestages am 14.12.2022 sagenhafte 850 Millionen Euro für die Nachrüstung von 143 Puma-Panzern frei.
Der Ausschuss hatte keine Kenntnis von den Ereignissen am Vortag bei dem Manöver in Münster und hätte unter diesem Eindruck seine Entscheidung eventuell so nicht getroffen. Was der Ausschuss aber wusste und bewusst ignorierte, war laut focus eine Warnung des Bundesrechnungshofes vom 2. September, verbunden mit der Empfehlung, die Vertragsverhandlungen mit den zwei Lieferanten (Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann) wegen technischer Unreife des Panzers abzubrechen. So sah das auch das Finanzministerium, das in einem Schreiben vom 30. November klarstellte, dass selbst sechs Millionen Euro pro Panzer nicht ausreichen würden, dem Gerät zu einer vollen Einsatzfähigkeit zu verhelfen. Hat alles nichts geholfen, die Entscheidung das Geld auszugeben, steht.
Ein Pleitenprojekt reiht sich an das nächste.
Transport-Hubschrauber NH90, Transportflugzeug A400M, die Fregatte F125 und jetzt der Puma-Panzer. Die Liste der Pleiteprojekte ist schier endlos. Nur eines haben alle Bundewehrprojekte traditionell gemein: Kostensteigerungen, wohin das Auge blickt. Wer die Ursachen detailliert aufgetischt haben möchte, der lese sich den rnd-Bericht vom 28.07.2020 durch, der an Aktualität nichts verloren hat. Und ich bin mir sicher: Seitdem ist nichts besser geworden. Mein Fazit lautet: Geistiges, handwerkliches und finanzielles Komplettversagen aller Beteiligten.
Hauptsache, man hat bei der NATO einen neuen, tollen Begriff erfunden. VJTF (Very High Readiness Joint Task Force). Die Readiness der Bundeswehr ist weder ‘high’ und schon gar nicht ‘very high‘. Somit: Denkbar schlechter Start für die Task Force, an der sich die in Frankenberg beheimatete Panzergrenadierbrigade 37 unter Führung von Brigadegeneral Alexander Krone und Generalmajor Ruprecht von Butler seit gestern verabredungsgemäß beteiligt.
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