Dienstag, 16. Januar 2024: Politik: Remigration ist Unwort des Jahres

Kaum hatte ich mich mit diesem Begriff vor wenigen Tagen ernsthaft auseinandergesetzt – weil ich ihn vorher nicht kannte – schon ist er das Unwort des Jahres. Die Auswahl traf die sprachkritische „Unwort“-Aktion in Marburg. Der Ausdruck werde von Rechtsextremen beschönigend für die Forderung nach Zwangsausweisungen und Deportationen benutzt. Es sei eine Tarnvokabel.

So wie mir das Wort Remigration bis vor wenigen Tagen nicht geläufig war, so war mir auch nicht bewusst, dass das Wort Deportation die Runde macht. Denn mit dem Begriff Deportation verbinde ich vor allem: UdSSR, Stalinismus und Gulags. In der UdSSR fanden Deportationen im schlimmsten Ausmaß statt, und zwar innerhalb des eigenen Landes. Deshalb finde ich es nicht ganz korrekt, den Begriff „Deportation“ mit dem Begriff „Abschiebung“ zu vermischen. Deportationen finden im eigenen Land statt, Abschiebungen dagegen zwischen Ländern, oder irre ich mich?

Bei der Begriffsfindung für das Unwort des Jahres hätte ich mir gewünscht, sich das Wort „Nazi“ näher anzuschauen. Die inflationäre Betitelung von allem und jedem als Nazi, der sich linkem Gedankengut in den Weg stellt, wäre es wert gewesen, darüber zumindest nachzudenken. Und selbst die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann als Vertreter einer gemäßigten Partei nannte das Bündnis Sahra Wagenknecht beim Neujahrsempfang der FDP am Düsseldorfer Flughafen vor 1.000 Gästen eine „extreme Gruppierung“. Da scheint mir der Weg nicht mehr weit, sie dann einfach als Nazi zu titulieren.

Dadurch, dass sich jeder die Deutungshoheit zutraut, zu beurteilen, wer heutzutage in Deutschland mal eben ein Nazi ist, läuft das Wort „Nazi“ Gefahr, seinen Schrecken zu verlieren. Ich spreche zum Beispiel von dem Schrecken der Ermordung von Millionen Juden und anderer Menschen in Konzentrationslagern. Wie oft muss ich im Netz lesen, wie die mit dem Begriff „Nazi“ angefeindeten Menschen mit „Dann bin ich halt ein Nazi, mir doch egal.“ reagieren.

„Aktivist“ hätte mir als Unwort des Jahres auch recht gut gefallen. Der Begriff „beschönigende Tarnvokabel“ passt hier bestens.

Aber auch „Hass und Hetze“ oder „widerwärtig“ oder „ekelhaft“ oder „beschämend“ wären Alternativen gewesen, denn solche Begriffe haben in einer ernsthaften Diskussion zwischen politischen Gegnern nichts zu suchen. Wir verlieren jede Sensibilität für die Bedeutung deutscher Wörter, wenn wir sie jeden Tag von früh bis abends lesen oder hören müssen.

Die deutsche Sprache befindet sich im Würgegriff linker Ideologien.


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