Dienstag, 01. Oktober 2024, Under Attack: Der Begriff „Migrationshintergrund“

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/244626/b3ed585b0cab1ce86b3c711d1297db7c/17-kinder-und-jugendbericht-data.pdf

Das Thema ist nicht neu. Bereits 2021 nahm sich eine „Fachkommission der Bundesregierung“ der Sache an und schlug vor, den Begriff „Migrationshintergrund“ durch „Eingewanderte und ihre (direkten) Nachkommen“ zu ersetzen. Davon hatte ich schon damals nichts mitbekommen. Und auch die nächsten drei Jahre ging das Thema an mir komplett vorbei.

Zum Glück gibt es aber ab und an den Kinder- und Jugendbericht des Familienministeriums. Vor wenigen Tagen erschien die 17. Ausgabe, 600 Seiten stark. Wer hat Zeit, sich den dicken Wälzer online reinzuziehen? Ich, natürlich. Und so wurde es bereits ab Seite 8 interessant, wobei wir uns immer noch im Vorbericht befinden:

Weitere Abschnitte sind dem Jungsein mit Behinderungen, in geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, in religiöser und weltanschaulicher Vielfalt, in Ostdeutschland, in Stadt und Land sowie dem Zusammenhang zwischen Jungsein und Dynamiken der Gewalt gewidmet.

Warum kommt in der Aufzählung das Wort ‚Ostdeutschland‘ vor? Stellt sich das ‚Jungsein mit Behinderungen‘ in den neuen Bundesländern fundamental anders dar?

Jetzt kommt der Satz der Sätze:

Die konsequente Abwendung der Kommission vom statistischen Merkmal „Migrationshintergrund“ als pauschale Differenzkategorie zur Beschreibung scheinbar geteilter natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit ist aus Sicht der Bundesregierung ein wertvoller Beitrag für die weitere Diskussion in diesem Bereich.

Spätestens jetzt war ich beim Lesen putzmunter, weil wir uns dem heutigen Hauptthema nähern. Ich wollte ja wissen, was der Bericht als Ersatzbegriff für „Migrationshintergrund“ vorschlägt. Denn der Bericht ist die Grundlage für die Familienministerin Paus, den Begriff endlich verschwinden zu lassen. Mit dem Versenken des Wortes verschwinden die Probleme gleich mit, so ihr offensichtlicher Denkansatz.

Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der Kommission, dass sich die junge Generation durch ein hohes Maß an Diversität auszeichnet. Es gibt nicht „die“ Jugend, weder ist die heutige junge Generation homogen noch waren es vergangene. Die Operationalisierung von Vielfalt bzw. Diversität anhand der Differenzkategorien Alter, soziale Klasse, Behinderung, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Weltanschauung und Religion – ergänzt um die natioethno-kulturelle Zugehörigkeit – ist aus Sicht der Bundesregierung schlüssig.

Verkürzt heißt der Satz, für Deutsch-Anfänger: Die Operationalisierung ist schlüssig. Für mich ist der Satz aber nicht schlüssig. Operationalisierung= Herstellung einer Beziehung zwischen Begriff und beobachtbarem Sachverhalt. Wird es jetzt verständlicher? Eher nicht.

Wir schweifen vom Thema ab, weil die miesen Aussichten in Sachen Kindertagesbetreuung offensichtlich sind:

Für 2035 ist mit einer Personallücke von 72.000 Fachkräften in Westdeutschland zu rechnen, für Ostdeutschland lässt sich vorerst keine Lücke identifizieren. Zusätzlich müssen bis 2035 15.500 Kindertagespflegepersonen in Westdeutschland und 500 in Ostdeutschland gewonnen werden. Zudem belegen Zahlen, dass Leitungskräfte der Auffassung sind, dass Personal eingestellt wird, welches vor wenigen Jahren nicht beschäftigt worden wäre. Hinzu kommt der Bereich der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, für den bundesweit etwa 34.300 Vollzeitstellen erforderlich wären.

Um die Kindertagesbetreuung sicherzustellen, wird Personal eingestellt, was man vor Jahren nicht eingestellt hätte? Das hört sich nicht gut an. Wer wird da wohl alles auf die Kinder losgelassen? 122.000 Fachkräfte und Vollzeitstellen werden 2035 fehlen. Jetzt verstehe ich die Auslandsreisen von Scholz nach Kenia und Usbekistan und die Unterzeichnung von Kooperationsverträgen. Kenianer und Usbeken sollen die Personalprobleme in der deutschen Kindertagesbetreuung lösen.

„Eingewanderte und ihre (direkten) Nachkommen“. Genau mein Humor.

Deutschland. Bald auch in Ihrer Nähe.


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